Die Glocke vom Ettersberg läutete gestern zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald vor 79 Jahren. Über 500 Menschen versammelten sich bei kühlem Aprilwetter auf dem ehemaligen Appellplatz. Unter ihnen waren auch Überlebende des Lagers und deren Nachkommen aus sieben Ländern. Die Befreiung durch US-Truppen am 11. April 1945 markierte das Ende eines der größten NS-Konzentrationslager auf deutschem Boden.
«Es wird immer wichtiger, die Erinnerung wachzuhalten», betonte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow während der Gedenkfeier. Von 1937 bis 1945 waren in Buchenwald mehr als 250.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. Etwa 56.000 von ihnen starben durch Hunger, Krankheit, Zwangsarbeit, medizinische Experimente oder wurden ermordet.
Die 96-jährige Eva Fahidi-Pusztai, die als ungarische Jüdin nach Buchenwald deportiert wurde, mahnte in bewegenden Worten: «Wir müssen darüber sprechen, was damals geschah, damit es nie wieder passiert.» Ihr Appell gegen Gleichgültigkeit und Vergessen traf bei vielen Anwesenden einen Nerv.
Vor Ort konnte ich beobachten, wie besonders junge Besucher von den persönlichen Berichten der Zeitzeugen berührt waren. Als Reporterin habe ich über die Jahre eine besorgniserregende Entwicklung festgestellt: Mit schwindendem zeitlichem Abstand zur NS-Zeit nehmen geschichtsrevisionistische Tendenzen zu – gerade in Thüringen.
Die Gedenkstätte Buchenwald verzeichnete im vergangenen Jahr über 600.000 Besucher. Direktor Jens-Christian Wagner sieht darin ein Hoffnungszeichen: «Unser Bildungsauftrag wird wichtiger denn je. Die Geschichte von Buchenwald muss Teil unseres kollektiven Gedächtnisses bleiben.»
Während die letzten Zeitzeugen verstummen, stehen wir vor der Herausforderung, ihre Erinnerungen zu bewahren. Die Frage bleibt: Wie gelingt es uns, kommenden Generationen die Schrecken der Vergangenheit zu vermitteln, ohne dass sie zur bloßen Fußnote der Geschichte werden?