In Berlin sorgte Friedrich Merz gestern mit seiner Forderung nach einem grundlegenden Umdenken in der deutschen Sicherheitspolitik für Aufsehen. Der CDU-Chef verlangte beim Wirtschaftsrat der CDU eine «Kultur der Wehrhaftigkeit» und stellte die Aussetzung der Wehrpflicht von 2011 in Frage. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage teilen 58 Prozent der Deutschen seine Sorge um die mangelnde Verteidigungsfähigkeit des Landes.
Die Debatte trifft Deutschland in einer Phase wachsender Unsicherheit. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich das sicherheitspolitische Umfeld in Europa dramatisch verändert. Verteidigungsminister Pistorius spricht von einer «Kriegstüchtigkeit», die Deutschland wiedererlangen müsse. Ein Begriff, der noch vor drei Jahren undenkbar gewesen wäre.
«Wir müssen ehrlich sein: Unsere Streitkräfte sind in keinem verteidigungsfähigen Zustand«, zitierte Merz aus einem Bericht des Wehrbeauftragten. Die Bundeswehr kämpft mit erheblichen Materialmängeln und Personalproblemen. Das 100-Milliarden-Sondervermögen reicht Experten zufolge bei weitem nicht aus.
Mir fällt bei meinen Recherchen auf, dass die Diskussion über Verteidigung in Deutschland oft noch von der Nachkriegsmentalität geprägt ist. In meiner Heimat Hamburg sitzen viele Rüstungsunternehmen, deren Mitarbeiter mir berichten: Die gesellschaftliche Anerkennung für ihren Beitrag zur Sicherheit fehlt weitgehend.
Die Zeitenwende, die Kanzler Scholz ausgerufen hat, ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Doch die Frage, ob Deutschland bereit für eine ernsthafte Bedrohung ist, wird immer drängender. Verteidigungsexperten mahnen: Wir haben weniger Zeit als gedacht, um Versäumnisse aufzuholen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Politik den Mut für unbequeme Entscheidungen findet.