Als gestern Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seinen Vorschlag für ein «republikanisches Jahr» vorstellte, war die Resonanz groß. Der Grünen-Politiker möchte junge Menschen für einen freiwilligen Dienst in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen gewinnen – von der Bundeswehr bis zum Umweltschutz. Nach aktuellen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa befürworten 68 Prozent der Deutschen eine solche Initiative.
«Unser Land braucht nicht nur militärische Verteidigung, sondern auch gesellschaftlichen Zusammenhalt», erklärte Özdemir bei der Vorstellung in Berlin. Sein Konzept sieht vor, dass 18- bis 25-Jährige zwischen verschiedenen Diensten wählen können: Bundeswehr, Katastrophenschutz, Pflege oder Umweltprojekte. Im Gegenzug sollen sie attraktive Vergütungen und Bildungsgutscheine erhalten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) reagierte zurückhaltend. «Wir müssen die Bundeswehr zukunftsfähig machen, aber ein verpflichtender Dienst ist aktuell organisatorisch kaum umsetzbar», sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Während meiner Recherchen in Hamburg traf ich Studentin Lena Becker (22): «Ich fände es gut, wenn meine Generation etwas zur Gesellschaft beitragen könnte. Aber es muss freiwillig bleiben und fair bezahlt werden.»
Experten wie Professor Johannes Weber von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg sehen im Vorschlag Potenzial: «Ein freiwilliges Jahr könnte sowohl den Fachkräftemangel in sozialen Berufen lindern als auch das demokratische Bewusstsein stärken.»
Der Bundestag wird den Vorschlag in der kommenden Woche debattieren. Ob er in Zeiten knapper Kassen realisierbar ist, bleibt abzuwarten. Doch eines ist klar: Die Diskussion über Gemeinschaftsdienste hat eine neue Dynamik bekommen – und zwingt uns, darüber nachzudenken, was uns unsere Gesellschaft wert ist.