In Dresden erinnert man sich dieser Tage an ein besonderes Kapitel deutscher Demokratiegeschichte: Vor genau 35 Jahren, am 27. Oktober 1990, konstituierte sich der Sächsische Landtag. Nur wenige Wochen nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober versammelten sich die 160 frisch gewählten Abgeordneten im Dresdner Rathaus zur historischen ersten Sitzung.
Ich erinnere mich noch gut an die Atmosphäre in der Stadt. Die Menschen standen Schlange, um einen Blick auf die Politiker zu erhaschen, die nun die Geschicke des neuen Bundeslandes lenken sollten. «Es lag eine Mischung aus Aufbruchstimmung und Unsicherheit in der Luft», erzählte mir später Erich Iltgen, der erste Landtagspräsident Sachsens, den die Abgeordneten an jenem Oktobersamstag wählten.
Das neu gebildete Parlament traf sich zunächst im Plenarsaal des Rathauses – erst 1993 konnte der heutige Landtag am Elbufer bezogen werden. Im ersten sächsischen Parlament saßen fünf Fraktionen: Die CDU stellte mit 92 Abgeordneten die mit Abstand stärkste Fraktion, gefolgt von der Linken Liste/PDS, SPD, Bündnis 90/Grüne und der FDP.
Kurt Biedenkopf, den viele Sachsen noch heute als «König Kurt» verehren, wurde mit großer Mehrheit zum ersten Ministerpräsidenten gewählt. «Wir hatten damals keine Erfahrung mit parlamentarischer Demokratie, aber einen unbändigen Willen, es richtig zu machen», sagte mir der 2021 verstorbene Biedenkopf bei einem Interview zu seinem 80. Geburtstag.
Die Aufgaben waren gewaltig: Eine Landesverfassung musste erarbeitet, Verwaltungsstrukturen aufgebaut und die marode Wirtschaft wiederbelebt werden. Nach jahrzehntelanger SED-Diktatur galt es, demokratisches Denken im Alltag zu verankern. Manchmal vergessen wir heute, wie groß diese Leistung war.
35 Jahre später steht Sachsen vor neuen Herausforderungen. Der Landtag ist kleiner geworden, zählt nur noch 120 statt 160 Abgeordnete. Die Parteienlandschaft hat sich verändert. Und doch bleibt der 27. Oktober 1990 ein Meilenstein in der Geschichte des Freistaats – ein Symbol für den demokratischen Neubeginn nach friedlicher Revolution und die Rückkehr Sachsens als selbstständiges Land auf die politische Bühne Deutschlands.