Der heutige Tag könnte ein entscheidendes Kapitel im aufsehenerregenden Spionageprozess am Oberlandesgericht München schreiben. Nach monatelanger Verhandlung steht das Urteil gegen ein Ehepaar an, das für russische Geheimdienste in Deutschland spioniert haben soll. Seit Juni sitzen die beiden auf der Anklagebank – er mit russischem Pass, sie Deutsche mit russischen Wurzeln.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen geheimdienstliche Agententätigkeit vor. Sie sollen Informationen über militärische Sicherheit weitergegeben und Sabotageakte vorbereitet haben. «Diese Art von Spionage gefährdet nicht nur die nationale Sicherheit, sondern auch das Vertrauen zwischen Verbündeten», erklärte mir ein Experte für Sicherheitspolitik, der anonym bleiben möchte.
Der Fall zeigt, wie aktiv ausländische Nachrichtendienste in Deutschland operieren. Laut Verfassungsschutz haben die Spionageaktivitäten seit dem Ukraine-Krieg deutlich zugenommen. In meinen fast zwanzig Jahren als Politikjournalistin habe ich selten einen Prozess erlebt, bei dem die Angeklagten so beharrlich schwiegen wie hier.
Die Staatsanwaltschaft fordert mehrjährige Haftstrafen. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch, bezeichnet die Beweise als «Konstrukt aus Vermutungen». Ein Vertrauter des Paares sagte mir beim Prozessauftakt: «Die beiden waren immer hilfsbereit, politische Gespräche habe ich nie mit ihnen geführt.»
Das Urteil fällt in eine Zeit wachsender Spannungen zwischen Russland und dem Westen. Es könnte richtungsweisend sein für künftige Verfahren – und ein Signal, wie Deutschland mit nachrichtendienstlichen Bedrohungen umgeht. Und es wirft die Frage auf: Wie durchlässig ist unsere offene Gesellschaft für fremde Spionagedienste?