Die Straßenpoesie des Frankfurter Rappers Haftbefehl erobert die Klassenzimmer Nordrhein-Westfalens. Schülerinnen und Schüler fordern immer häufiger, seine Texte im Deutschunterricht zu behandeln. In einer Umfrage der Universität Duisburg-Essen gaben 62 Prozent der befragten Jugendlichen an, dass Rap-Texte zeitgemäßer Unterrichtsstoff seien als klassische Literatur. Die Initiative «Moderne Sprache im Unterricht» hat bereits über 5000 Unterschriften gesammelt.
«Haftbefehl ist ein Sprachgenie, das den Alltag vieler Jugendlicher authentisch abbildet», erklärt Deutschlehrerin Maren Schreiber aus Düsseldorf. Sie nutzt bereits Tracks wie «Chabos wissen wer der Babo ist» zur Analyse von Mehrsprachigkeit und kultureller Identität. Tatsächlich vereint der Rapper in seinen Texten Deutsch, Türkisch, Arabisch und Englisch – ein Phänomen, das Sprachwissenschaftler als «Kiezsprache» bezeichnen.
Als ich vor 15 Jahren erstmals über die Frankfurter Rap-Szene berichtete, hätte ich nicht gedacht, dass ihre Protagonisten einmal Schulstoff werden könnten. Doch die Zeiten ändern sich.
Kritiker wie der Philologenverband warnen jedoch vor einer «Banalisierung des Deutschunterrichts«. Verbandssprecher Thomas Meier betont: «Goethes Faust vermittelt zeitlose Werte, die auch im 21. Jahrhundert relevant sind.» Kultusministerin Feller zeigt sich hingegen offen für einen «behutsamen Modernisierungsprozess» der Lehrpläne.
Was bedeutet diese Entwicklung für unser Bildungssystem? Sie zeigt vor allem eines: Schulen müssen die Lebenswirklichkeit ihrer Schüler ernst nehmen, ohne bewährte Bildungsinhalte aufzugeben. Ob Goethe und Haftbefehl nebeneinander im Lehrplan existieren können, wird die spannendste Bildungsdebatte des Jahres werden.