In Düsseldorf hört man es überall: Die deutsche Stahlindustrie steckt in der Krise. Gestern trafen sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner mit Vertretern der Branche zum «Stahlgipfel» in Berlin. Mehr als 85.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, davon allein 27.000 in Nordrhein-Westfalen.
Die Probleme sind vielfältig: Hohe Energiekosten, billige Importe aus Asien und der schleppende Umbau zu grüner Produktion setzen den Stahlkonzernen zu. Thyssenkrupp Steel will bis 2030 rund 2.000 Stellen streichen, auch bei Salzgitter sollen Arbeitsplätze wegfallen. «Wir brauchen jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe», forderte Miguel Lopez, Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp.
Die Bundesregierung hat reagiert und ein Maßnahmenpaket beschlossen. Künftig soll es einen ermäßigten Netzentgelt für die energieintensive Industrie geben. Zudem werden Steuererleichterungen für Unternehmen geprüft, die in klimafreundliche Technologien investieren. «Das ist ein wichtiger erster Schritt, aber nicht ausreichend», sagte mir ein Betriebsrat aus Duisburg gestern am Telefon.
In meinen 16 Jahren als Wirtschaftsjournalist habe ich selten eine Branche erlebt, die gleichzeitig so traditionsbewusst und innovationsbedürftig ist. Der Stahl aus dem Ruhrgebiet hat Deutschland nach dem Krieg aufgebaut – jetzt muss er sich neu erfinden.
Was bedeutet das für uns alle? Höhere Preise für Autos, Haushaltsgeräte und Bauprojekte sind wahrscheinlich. Gleichzeitig entscheidet sich am Stahl, ob Deutschland seinen industriellen Kern bewahren kann. Die Frage bleibt: Wollen wir für klimafreundlichen Stahl «Made in Germany» zahlen, oder importieren wir lieber billig aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards?