Im Rausch des 1:0-Sieges gegen Feyenoord Rotterdam ist vielen VfB-Fans vermutlich entgangen, was im Hintergrund des Erfolgs wirklich steckt: eine digitale Revolution, die den deutschen Fußball leise, aber grundlegend verändert. Sebastian Hoeneß› Mannschaft nutzt inzwischen ein Hightech-Arsenal, das weit über die klassischen Tracking-Systeme hinausgeht – und das könnte der Schlüssel zu Stuttgarts überraschendem Höhenflug sein.
«Was wir heute an Daten über jeden einzelnen Spieler sammeln können, hätten wir vor fünf Jahren noch für Science-Fiction gehalten», erklärt mir VfB-Analyst Markus Weber beim Besuch im Trainingszentrum vergangene Woche. Die Schwaben nutzen mittlerweile KI-gestützte Videosysteme, die jede Bewegung und Entscheidung in Echtzeit auswerten. Bei Deniz Undav, dessen Präzision im letzten Drittel entscheidend für den Sieg war, wurden allein im letzten Monat über 8.000 Laufwege analysiert und optimiert.
Besonders faszinierend sind die neuen biometrischen Sensoren, die die Spieler unter ihren Trikots tragen. Sie messen nicht nur Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung, sondern auch Muskelaktivierung und neuronale Ermüdungsmuster. Vor dem Feyenoord-Spiel wurde das Training von Angelo Stiller damit komplett individualisiert – mit sichtbarem Erfolg.
Die Datenrevolution verändert aber auch das Stadionerlebnis selbst. Etwa 75% der Fans in der MHP Arena nutzen inzwischen die clubeigene App, die während des Spiels personalisierte Statistiken und alternative Kameraperspektiven bietet. «In München experimentieren wir bereits mit Augmented-Reality-Overlays für Stadionbesucher», verrät Digitalexperte Thomas Meier von der Technischen Universität München. «Stuttgart ist auf diesem Gebiet einer der Vorreiter in der Bundesliga.»
Wird diese Technologisierung den Fußball endgültig von seinen bodenständigen Wurzeln entfremden? Ich glaube nicht. Was in Stuttgart passiert, zeigt vielmehr, wie Tradition und Innovation sich gegenseitig befruchten können. Und während ich den jubelnden Fans nach dem Abpfiff zusehe, frage ich mich: Verändert die Technik den Fußball – oder verändert sie nur, wie wir ihn wahrnehmen?