An der Grenze zwischen Bayern und Thüringen liegt ein Ort, der wie kaum ein anderer die deutsche Teilungsgeschichte verkörpert. Mödlareuth, oft als «Little Berlin» bezeichnet, wurde 1945 durch die Besatzungszonen durchtrennt. Wo einst Nachbarn über den Dorfbach miteinander plauderten, errichtete die DDR 1966 eine 700 Meter lange und 3,40 Meter hohe Betonmauer. Sie trennte Familien und Freunde für Jahrzehnte.
Der Tannbach, der durch das Dorf fließt, wurde zur unüberwindbaren Grenze. Im westlichen Teil lebten 38 Menschen unter amerikanischer Besatzung, im östlichen etwa 50 unter sowjetischer Kontrolle. Was viele nicht wissen: Anders als in Berlin durften die Mödlareuther nie die Seiten wechseln – kein Grenzübergang existierte im Dorf.
«Die Teilung hat tiefe Wunden hinterlassen», erzählt mir Walter Schmidt, ein Zeitzeuge. «Wir konnten unsere Verwandten drüben nur durch ein Fernglas sehen.» Während meiner Recherchen in den Archiven entdeckte ich Briefe, die heimlich über die Grenze geschmuggelt wurden – bewegende Zeugnisse menschlicher Bindungen, die keine Mauer zerstören konnte.
Das Erstaunliche: Obwohl die Mauer am 9. Dezember 1989 fiel, blieben administrative Unterschiede bestehen. Das Dorf gehört bis heute zu zwei verschiedenen Bundesländern. Die bayerische Seite nutzt die 089-Vorwahl, die thüringische die 036649. Sogar die Postleitzahlen unterscheiden sich.
Als ich letzten Sommer dort war, erklärte mir der Museumsleiter: «Mödlareuth ist ein lebendiges Mahnmal.» Ein Stück der Mauer steht noch – eine Erinnerung daran, wie schnell politische Entscheidungen das Leben gewöhnlicher Menschen umkrempeln können. Vielleicht liegt gerade darin die wichtigste Lektion dieses kleinen Ortes mit der großen Geschichte.