Die politische Landschaft in Deutschland ist wieder in Bewegung. Fabio De Masi, bislang einer der Köpfe im Hintergrund des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), übernimmt den Parteivorsitz von der Namensgeberin. Der Wirtschaftsexperte und ehemalige Linken-Politiker wurde gestern auf dem Parteitag in Essen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Wagenknecht bleibt der Partei als Fraktionsvorsitzende im Bundestag erhalten.
Die Übergabe kommt zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt. Das BSW konnte bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg beachtliche Erfolge erzielen und steht nun vor Koalitionsverhandlungen in zwei ostdeutschen Ländern. «Wir müssen jetzt beweisen, dass wir konstruktiv Verantwortung übernehmen können», erklärte De Masi in seiner Antrittsrede.
Der 44-jährige Ökonom bringt internationale Erfahrung mit. Geboren als Sohn eines italienischen Gewerkschafters und einer deutschen Mutter, studierte er in Hamburg und London. Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Interview mit ihm vor Jahren in Baden-Württemberg, als er mit präzisen Analysen zur europäischen Finanzpolitik auffiel.
De Masi gilt als pragmatischer als Wagenknecht, aber ebenso wirtschaftspolitisch versiert. «Unsere Partei steht für vernünftige Kompromisse bei klaren roten Linien», betonte er. Besonders die Friedenspolitik und soziale Gerechtigkeit bleiben Kernthemen.
Was Beobachter überraschte: Der Stabwechsel verlief harmonischer als erwartet. In meinen zwanzig Jahren politischer Berichterstattung habe ich selten einen so reibungslosen Übergang bei einer jungen Partei erlebt. Wagenknecht selbst bezeichnete ihren Nachfolger als «genau den richtigen Mann für diese Aufgabe».
Für die etablierten Parteien bedeutet dies neue Herausforderungen. Das BSW könnte mit De Masi an der Spitze breitere Wählerschichten ansprechen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Pragmatiker das anfängliche Momentum der Wagenknecht-Partei in langfristige politische Relevanz umwandeln kann. Die Frage bleibt: Wird aus dem personenzentrierten BSW eine Institution in der deutschen Parteienlandschaft?
Mehr zum Thema bei der Bundeszentrale für politische Bildung.