Als ich heute in der Wandelhalle des Thüringer Landtags stand, war die Atmosphäre spürbar angespannt. Der Corona-Untersuchungsausschuss, der seit 2020 die Maßnahmen der Landesregierung während der Pandemie aufarbeitet, hatte zwei der prominentesten Gesichter der deutschen Corona-Politik geladen: Christian Drosten und Lothar Wieler. Der Virologe und der ehemalige RKI-Präsident sollten Auskunft über die wissenschaftlichen Grundlagen der Corona-Politik geben.
Drosten, bekannt aus dem NDR-Podcast «Coronavirus-Update», erklärte mit ruhiger Stimme, dass die damaligen Entscheidungen auf dem jeweils aktuellen Kenntnisstand basierten. «Die Wissenschaft arbeitet immer mit vorläufigen Erkenntnissen, die sich mit neuen Daten verändern können», sagte er vor dem Ausschuss. Besonders eindrücklich war sein Hinweis auf die Dynamik wissenschaftlicher Prozesse: «Was heute gilt, kann morgen schon überholt sein.«
Auch Lothar Wieler verteidigte die damaligen Maßnahmen. «Wir hatten es mit einer völlig neuartigen Situation zu tun und mussten unter enormem Zeitdruck handeln«, betonte der frühere RKI-Chef. Beide Experten räumten ein, dass einige Entscheidungen aus heutiger Sicht anders getroffen werden könnten.
Die Befragung, die über sechs Stunden dauerte, zeigte die Komplexität der Pandemiebekämpfung. Im Saal waren auch Bürger anwesend, die kritische Fragen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen stellten. Eine Frau aus Erfurt, die ich in der Pause traf, sagte mir: «Ich will keine Schuldzuweisungen, sondern verstehen, warum so entschieden wurde.»
Die Erkenntnisse des Ausschusses sollen in konkrete Empfehlungen für künftige Krisen münden. Ob dies gelingt, bleibt offen. Doch eines wurde heute klar: Die Aufarbeitung der Corona-Zeit hat gerade erst begonnen – und sie wird uns als Gesellschaft noch lange beschäftigen. Wie gehen wir mit wissenschaftlicher Unsicherheit um, wenn schnelle Entscheidungen nötig sind? Diese Frage wird uns wohl auch bei der nächsten Krise begleiten.