Die Grenzen des Independent-Films scheinen in Berlin aufgehoben. Regisseur Kai S. hat sein Herzensprojekt «Verlorene Seelen» ohne jegliche Filmförderung umgesetzt – sogar sein Auto musste dafür weichen. «Ich habe meinen alten Golf verkauft, um die Kameraausrüstung zu finanzieren», erzählt der 42-jährige Wahl-Berliner, während er auf einer Bank am Rosenthaler Platz sitzt. Sein Film über drei Menschen am Rande der Gesellschaft feiert nächsten Monat Premiere.
Was treibt jemanden an, alles auf eine Karte zu setzen? «Die Geschichte musste einfach erzählt werden», sagt S. und nippt an seinem Kaffee. Der gebürtige Hamburger kam vor zwölf Jahren nach Berlin, arbeitete als Kameraassistent bei großen Produktionen. Die Idee zum Film trug er schon lange mit sich. Vor zwei Jahren begann die 18-monatige Produktionsphase – ohne Budget, nur mit Freunden und Enthusiasten.
Die Dreharbeiten fanden größtenteils in Mitte und Wedding statt. «Wir haben oft spontan gedreht, manchmal mitten unter Passanten, die gar nicht merkten, dass sie Teil eines Filmprojekts wurden», erinnert sich Hauptdarstellerin Maja K. Das Team arbeitete an Wochenenden, nach Feierabend, in jeder freien Minute.
Laut einer Studie des Medienboards Berlin-Brandenburg werden jährlich etwa 300 unabhängige Filmprojekte in der Hauptstadt realisiert – die meisten mit minimalen Mitteln. «Berlin ist ein Sehnsuchtsort für Filmemacher», erklärt Filmwissenschaftler Prof. Werner Liebig von der Universität der Künste. «Die Stadt selbst ist oft Teil der Erzählung.»
Während unseres Gesprächs zeigt mir S. auf seinem Laptop Ausschnitte aus dem Film. Die Bilder wirken roh, ungefiltert, echt – ganz anders als das polierte Mainstream-Kino. «Manchmal muss man eben alles riskieren, um seiner Vision treu zu bleiben», sagt er mit einem Schulterzucken.
Die ersten Reaktionen auf Testvorführungen waren überraschend positiv. Mehrere kleine Festivals haben den Film bereits eingeladen. Ob sich die Investition gelohnt hat? S. lacht: «Finanziell? Sicher nicht. Aber darum geht’s nicht.» Er schaut nachdenklich auf die vorbeieilenden Menschen. «Wenn der Film auch nur einen Menschen berührt, hat sich alles gelohnt.»
Mehr zum Thema unabhängige Filmproduktionen erfährt man bei der Berlinale-Sektion «Perspektive Deutsches Kino».