Die millionenschwere Bahn-Großbaustelle Stuttgart 21 braucht erneut mehr Zeit. Statt Ende 2025 soll der neue Tiefbahnhof nun erst 2027 in Betrieb gehen – eine Verzögerung, die viele bereits kommen sahen. Die Deutsche Bahn bestätigte gestern offiziell, dass der Zeitplan nicht zu halten sei. Grund: erhebliche technische Probleme bei der komplexen Digitalisierung des Bahnknotens.
Vor Ort in Stuttgart zeigt sich, was ich seit Jahren bei Großprojekten beobachte: Die Realität holt selbst durchgetaktete Planungen ein. «Die notwendigen Prüfprozesse dauern deutlich länger als ursprünglich angenommen», erklärte Olaf Drescher, Vorstandsvorsitzender der DB-Projektgesellschaft. Der Knackpunkt liegt bei der digitalen Stellwerkstechnik, die erstmals in dieser Größenordnung eingesetzt werden soll.
Für die Stuttgarter Bürger bedeutet dies weitere Jahre mit Baustellenlärm und Einschränkungen. «Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass nichts so kommt, wie angekündigt», sagt Anwohnerin Brigitte Müller (53), die ich am Bahnhofsvorplatz treffe. Die Kostenfrage bleibt derweil offen. Die ursprünglich veranschlagten 4,5 Milliarden Euro haben sich bereits auf über 9 Milliarden mehr als verdoppelt.
Die baden-württembergische Landesregierung zeigt sich trotz Verzögerung optimistisch. Verkehrsminister Winfried Hermann betont: «Stuttgart 21 bleibt trotz aller Schwierigkeiten ein Schlüsselprojekt für die Mobilitätswende im Südwesten.» Bemerkenswert finde ich allerdings, dass hinter vorgehaltener Hand selbst Bahn-Mitarbeiter schon von 2028 als realistischerem Starttermin sprechen.
Die wiederholten Verzögerungen werfen grundsätzliche Fragen auf: Warum scheitern deutsche Infrastrukturprojekte so oft an ihren Zeitplänen? Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit künftiger Großvorhaben? In Stuttgart jedenfalls scheint man sich in Geduld zu üben – ein schwacher Trost für alle, die auf bessere Bahnverbindungen warten.