Die Kettensägen bleiben vorerst stumm in München. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Schutz von Bäumen gestärkt – eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für die bayerische Landeshauptstadt. Seit 19. Juli können Bauvorhaben nur noch umgesetzt werden, wenn Bäume auf dem Grundstück nachweislich nicht beeinträchtigt werden oder es Ausnahmegenehmigungen gibt.
Gleich mehrere Großprojekte stehen nun auf der Kippe. Das neue Konzerthaus im Werksviertel, die geplante Erweiterung des Lenbachhauses und selbst der dringend benötigte Schulcampus in Freiham könnten verzögert werden. «Wir müssen jetzt jeden Baum individuell begutachten lassen», erklärt Münchens Planungsreferentin Elisabeth Merk. Das bedeutet: mehr Bürokratie, höhere Kosten, längere Planungszeiträume.
Die Stadtratskoalition aus Grünen und SPD steht vor einem Dilemma. Einerseits begrüßt sie den verbesserten Baumschutz, andererseits drohen wichtige Infrastrukturprojekte im Schneckentempo voranzuschreiten. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordert deshalb Klarheit: «Wir brauchen zügig eine rechtssichere Lösung, sonst steht München still.»
Als ich gestern durch Schwabing ging, fiel mir auf, wie viele Plakate gegen Baumfällungen an den Straßen hängen. Die Münchner lieben ihre grüne Stadt. Gleichzeitig braucht München dringend neuen Wohnraum. Dieser Konflikt wird durch das Urteil noch verschärft.
Die Stadt muss nun jeden Baum vor Baubeginn prüfen und die Ergebnisse dokumentieren. Experten schätzen, dass allein für den Konzerthausbau bis zu 15 Bäume gefährdet sind. Welche Kompromisse sind möglich? München steht vor der Herausforderung, Wachstum und Grün in Einklang zu bringen – eine Aufgabe, die auch andere deutsche Großstädte in den kommenden Jahren beschäftigen wird.