In den zugigen Fluren der Brüsseler EU-Zentrale konnte man die Anspannung förmlich greifen. Als gestern Abend die Details des amerikanischen Friedensplans für die Ukraine durchsickerten, verhärteten sich die Gesichter der europäischen Regierungschefs. Was Washington als pragmatischen Ausweg betrachtet, empfinden viele in Europa als Kapitulation vor russischer Aggression.
Ich habe solche Dynamiken schon während meiner Zeit als Osteuropa-Korrespondentin beobachtet: Wenn Großmächte Lösungen skizzieren, steckt der Teufel oft im Detail – und im Timing. Der amerikanische Vorschlag kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die ukrainischen Gesundheitssysteme am Rande des Kollapses stehen. Dr. Myroslava Petrova vom Kiewer Notfallzentrum beschrieb mir die Situation kürzlich als «medizinischen Ausnahmezustand mit geopolitischen Ursachen».
Die europäische Ablehnung des Plans hat drei Hauptgründe: Erstens fehlen wirksame Sicherheitsgarantien für Kiew, was an das Budapester Memorandum von 1994 erinnert – jenes Abkommen, das der Ukraine nach Atomwaffenverzicht Schutz versprach und dann wirkungslos blieb. Zweitens würde der Vorschlag de facto russische Gebietsgewinne legitimieren, was völkerrechtlich höchst problematisch ist. Und drittens – hier liegt mein besonderes Augenmerk – ignoriert er die humanitäre Dimension. Die WHO dokumentiert bereits jetzt eine um 22% erhöhte Sterblichkeit in den umkämpften Gebieten, verglichen mit Vorkriegszeiten.
«Wir können nicht zulassen, dass geopolitische Erwägungen die Grundprinzipien der europäischen Sicherheitsarchitektur aushöhlen», erklärte ein hochrangiger EU-Diplomat unter Zusicherung der Anonymität. Es schwingt dabei die Sorge mit, dass eine vorschnelle Einigung zu Lasten der Ukraine auch andere Konfliktherde in Europa anfachen könnte.
Die Diskrepanz zwischen diplomatischen Verhandlungen und der Realität vor Ort bleibt frappierend. Während in Brüssel und Washington über Grenzziehungen debattiert wird, kämpfen in den Krankenhäusern der Ukraine Ärzte mit veralteter Ausrüstung gegen vermeidbare Todesfälle. Die Frage, die sich mir als Beobachterin dieser Entwicklungen stellt: Wie viel ist ein Friedensplan wert, der zwar Kampfhandlungen beenden könnte, aber die Grundursachen des Konflikts und die humanitären Folgen unzureichend adressiert?