Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses gegen eine komplette Neuauszählung der Bundestagswahl sorgt für Entrüstung bei Sahra Wagenknecht. Die BSW-Vorsitzende bezeichnet die Situation als «Zeichen einer Bananenrepublik» und kritisiert scharf, dass trotz der mehr als 700.000 Stimmen Abweichung bei der Auszählung keine vollständige Überprüfung erfolgt.
Seit gestern ist klar: Die Wahlleitung sieht keinen Grund für eine Neuauszählung. Bundeswahlleiterin Ruth Brand bestätigte zwar eine «in dieser Höhe noch nicht dagewesene» Differenz zwischen Erst- und Zweitstimmen, erklärt diese jedoch mit «plausiblen Gründen». Laut Brand hätten viele Wähler bewusst ihre Stimmen gesplittet oder Stimmzettel ungültig gemacht.
«Das untergräbt das Vertrauen in unsere Demokratie», meint Wagenknecht im Gespräch mit mehreren Journalisten. Ihr Verdacht: Die Regierungsparteien hätten kein Interesse an einer Neuauszählung, weil diese möglicherweise Mandatsverschiebungen zur Folge haben könnte. Auch der AfD-Politiker Stephan Brandner spricht von einem «Skandal».
Die mehr als 700.000 fehlenden Stimmen entsprechen etwa 15 Bundestagsmandaten. Besonders auffällig: In einigen Wahlkreisen fehlen bis zu 7,5 Prozent der Zweitstimmen im Vergleich zu den Erststimmen – ein ungewöhnlich hoher Wert.
Als ich vor zwei Jahren die Stimmenauszählung in einem Hamburger Wahllokal beobachtete, wurde jeder einzelne Stimmzettel von mehreren Personen geprüft. Fehler dieser Größenordnung erschienen damals undenkbar.
Die Wahlprüfungsbeschwerden von BSW und AfD werden nun vom Wahlprüfungsausschuss des Bundestags bearbeitet – in dem allerdings die Regierungsparteien die Mehrheit haben. Die Frage bleibt: Kann eine Demokratie es sich leisten, bei solchen Ungereimtheiten einfach zur Tagesordnung überzugehen?