Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler versammelten sich gestern am Hamburger Jungfernstieg, um gegen mögliche Pläne zur Wiedereinführung des Wehrdienstes zu protestieren. Die Demonstration unter dem Motto «Zukunft statt Zwangsdienst» wurde vom Hamburger Schülerrat organisiert und richtete sich direkt gegen die Überlegungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), eine Form der Wehrpflicht zurückzubringen.
«Wir wollen selbst über unseren Lebensweg entscheiden», sagte die 17-jährige Sprecherin des Schülerrats, Lisa Wegener, in ihrer emotionalen Ansprache. «Ein Zwangsdienst würde ganze Lebenspläne durcheinanderbringen und unsere Bildungs- und Berufschancen einschränken.» Viele Teilnehmende trugen selbstgebastelte Plakate mit Slogans wie «Bildung statt Ballern» oder «Keine Gewalt in unserem Namen».
Die Diskussion um eine mögliche Wehrpflicht hat in den letzten Monaten deutlich an Fahrt aufgenommen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage befürworten 52 Prozent der Deutschen grundsätzlich eine Wiedereinführung, während besonders junge Menschen mehrheitlich dagegen sind. Verteidigungsminister Pistorius erwägt verschiedene Modelle – vom verpflichtenden Wehrdienst bis hin zu einem «schwedischen Modell», bei dem alle jungen Menschen erfasst, aber nur ein Teil eingezogen würde.
Besonders kritisch sehen die Hamburger Schüler die Rolle der Bundeswehr an Schulen. «In meiner Klasse war letztens ein Jugendoffizier zu Besuch, der den Dienst an der Waffe als Abenteuer verkauft hat», berichtete der 16-jährige Tom aus Altona. Ein Problem, das ich aus meiner Berichterstattung in Baden-Württemberg kenne, wo die Präsenz der Bundeswehr an Bildungseinrichtungen ebenfalls kontrovers diskutiert wird.
Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf der Demonstration. Bildungssenator Ties Rabe (SPD) betonte auf Anfrage die Bedeutung des politischen Engagements junger Menschen, ohne inhaltlich Position zu beziehen. Eine Entscheidung zur Wehrpflicht wird frühestens im Herbst erwartet.
Was heute in Hamburg passiert, könnte morgen bundesweit Schule machen. In einer Zeit zunehmender globaler Spannungen stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie viel Opfer darf der Staat von jungen Menschen für die Sicherheit verlangen? Die Antwort darauf wird nicht nur die Politik, sondern auch den Alltag einer ganzen Generation prägen.