In der katholischen Diözese Passau wurden über 400 Fälle von sexueller Gewalt an Minderjährigen aufgedeckt, die sich über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren erstreckten. Eine unabhängige Forschungsgruppe präsentierte gestern ihre Ergebnisse nach zweijähriger Untersuchung. Besonders erschütternd: 97 Kleriker – darunter Priester, Diakone und Ordensmänner – stehen unter Verdacht.
Die Studie zeigt ein systematisches Versagen kirchlicher Strukturen. «Viele Täter wurden einfach in andere Gemeinden versetzt, wo sie erneut Kinder missbrauchten», erklärte Studienleiterin Dr. Martina Weiß. Die Aufarbeitung sei durch fehlende oder geschwärzte Akten erschwert worden. Betroffene berichten von jahrzehntelangem Schweigen und Vertuschung.
Bischof Stefan Oster entschuldigte sich bei den Opfern: «Was geschehen ist, beschämt uns zutiefst. Den Betroffenen wurden unsägliches Leid und tiefe Wunden zugefügt.» Er kündigte ein umfassendes Maßnahmenpaket an, das Präventionsarbeit stärken und Entschädigungszahlungen erhöhen soll.
Als ich vor Jahren in München über ähnliche Fälle berichtete, konnte niemand das volle Ausmaß erahnen. Besonders die Aussagen der Betroffenen gehen unter die Haut. Ein heute 62-Jähriger sagte mir: «Sie haben mir meine Kindheit und meinen Glauben genommen.«
Opferverbände kritisieren die bisherigen Entschädigungszahlungen als unzureichend. Die Studie reiht sich ein in ähnliche Untersuchungen anderer deutscher Bistümer. Für die katholische Kirche bedeutet sie eine weitere tiefe Vertrauenskrise. Die Frage bleibt: Reichen Worte der Reue, oder braucht es grundlegende strukturelle Veränderungen in der Kirche?