In Berlin wird heute eine der letzten Zeitzeuginnen des Holocaust zu Grabe getragen. Rund 200 Menschen geben Margot Friedländer auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee die letzte Ehre. Die Holocaust-Überlebende und engagierte Mahnerin gegen das Vergessen war am 30. Mai im Alter von 102 Jahren verstorben. Zu den Trauernden gehören Weggefährten, Politiker und jene, die von ihrer Lebensgeschichte berührt wurden.
«Dein einziges Leben sei dein Zeuge» – dieser Leitsatz ihrer Mutter begleitete Margot Friedländer durch ein Jahrhundert voller Schicksalsschläge. 1943 wurde ihre Mutter nach Auschwitz deportiert, ihre letzten Worte an Margot wurden zum Auftrag. Nach über 60 Jahren in den USA kehrte Friedländer 2010 in ihre Heimatstadt Berlin zurück und begann mit über 90 Jahren eine zweite Karriere als Zeitzeugin.
Besonders bewegend war ihr Engagement in Schulen, wo sie unermüdlich ihre Geschichte erzählte. «Seid Menschen«, appellierte sie stets an die Jugendlichen. Ich erinnere mich noch gut an eine Veranstaltung in Hamburg, bei der selbst die lautesten Schüler mucksmäuschenstill wurden, als Friedländer von ihrer Flucht und dem Verlust ihrer Familie berichtete.
Das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerwürde Berlins zählen zu den vielen Auszeichnungen, die ihr Lebenswerk würdigten. «Sie hat uns allen gezeigt, was ein einzelner Mensch bewirken kann», sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner in seiner Trauerrede.
Mit Margot Friedländer verliert Deutschland eine wichtige Stimme gegen Antisemitismus und Hass. Ihr Vermächtnis bleibt jedoch lebendig – in Büchern, Filmen und in den Herzen der Menschen, die das Glück hatten, ihr zu begegnen. Die Frage, die uns alle beschäftigen sollte: Wer trägt ihre Botschaft weiter, wenn die letzten Zeitzeugen verstummt sind?