Die FDP hat einen neuen Kapitän am Steuer. Christian Dürr wurde gestern mit 85,9 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Christian Lindner gewählt. Der 47-jährige Niedersachse übernimmt die Partei in stürmischen Zeiten: Umfragewerte unter fünf Prozent, eine zerrissene Basis und die Nachwehen des Ampel-Bruchs. Bei seiner ersten Rede als Parteichef versprach Dürr einen «Neuanfang mit Demut».
Der Wechsel an der Spitze folgt auf das dramatische Ende der Ampelkoalition im November. Lindner, der nach seinem Rauswurf als Finanzminister zunächst weitermachte, zog schließlich die Konsequenzen aus dem Umfragetief. «Wir müssen ehrlich sein – die letzten Jahre haben Spuren hinterlassen», sagte Dürr beim Parteitag in Berlin. «Freiheit braucht wieder eine starke Stimme in Deutschland.»
Bisher war Dürr vor allem als Fraktionschef im Bundestag bekannt. Ein Vorteil: Anders als sein Vorgänger gilt er als Mann des Ausgleichs. In Hamburg habe ich ihn vor zwei Jahren bei einer Wirtschaftskonferenz erlebt – ruhig, sachlich, ohne die scharfen Kanten eines Lindner. Genau diese Eigenschaften könnten nun helfen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, unterstützt den Neuanfang: «Wir brauchen jetzt einen klaren Kompass für die Freiheit, nicht nur markige Sprüche.»
Die Herausforderungen für Dürr sind gewaltig. Die vorgezogene Bundestagswahl steht vor der Tür, das Wahlprogramm muss geschärft werden. Und die entscheidende Frage bleibt: Kann er die FDP vor dem dritten Bundestags-Aus binnen zwanzig Jahren bewahren? Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der ruhige Niedersachse genug Zugkraft entwickelt, um die Liberalen aus dem Umfragekeller zu holen.