In Essen versammelten sich gestern über 300 Eltern vor dem Rathaus, um gegen den dramatischen Lehrermangel zu protestieren. Mit leeren Schulstühlen symbolisierten sie den Ausfall von Unterricht, der mittlerweile an vielen Schulen der Stadt zur Normalität geworden ist. Laut aktuellen Zahlen der Bezirksregierung fehlen in Essen derzeit mehr als 200 Lehrkräfte – Tendenz steigend.
«Wir können nicht länger zusehen, wie unsere Kinder abgehängt werden», sagt Katja Müller, Sprecherin des neu gegründeten Elternbündnisses «Essener Schulen in Not». Die Initiative hat in nur drei Wochen über 4.000 Unterschriften gesammelt. Viele Eltern berichten von chronischem Unterrichtsausfall, überfüllten Klassen und mangelnder Förderung. Ein Vater einer Drittklässlerin erzählt mir am Rande der Demo: «Meine Tochter hatte dieses Schuljahr bereits 43 Stunden Ausfall in Mathematik – wie soll sie den Anschluss nicht verlieren?»
In meinen fast zwanzig Jahren als Bildungsreporterin habe ich selten eine so entschlossene Elternschaft erlebt. Der Protest richtet sich sowohl an die Kommunalpolitik als auch an das Land NRW. Die Stadtverwaltung verweist auf begrenzte Handlungsmöglichkeiten, verspricht jedoch Sofortmaßnahmen wie die Einstellung von Quereinsteigern und pensionierte Lehrkräfte zurückzuholen.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) empfing eine Delegation der Eltern und sagte: «Wir nehmen Ihre Sorgen ernst und werden als Stadt alles in unserer Macht Stehende tun, um die Situation zu verbessern.»
Bildungsexperten sehen im Essener Protest ein Symptom für ein bundesweites Problem. Die Unterversorgung trifft besonders Schulen in sozial schwierigen Stadtteilen. Das könnte die Bildungsungerechtigkeit weiter verschärfen.
Der Elternprotest hat bereits Wirkung gezeigt: Der Stadtrat will in einer Sondersitzung nächste Woche konkrete Maßnahmen beschließen. Doch für die Eltern ist klar: Dies kann nur der Anfang sein. «Wir bleiben dran», versichert Müller, «denn es geht um nicht weniger als die Zukunft unserer Kinder.»