Das Straßennetz in Dresden sorgt derzeit für erhitzte Gemüter. Ob breite Fahrbahnen für Autos, sichere Radwege oder mehr Platz für Fußgänger – die Debatte um die Nutzung des öffentlichen Raums spaltet die Stadtgesellschaft. Laut aktueller Zahlen des Verkehrsamts nutzen täglich über 300.000 Menschen die Hauptverkehrsadern der sächsischen Landeshauptstadt – doch der Platz ist begrenzt.
Die Konflikte spitzen sich besonders an neuralgischen Punkten wie der Albertbrücke zu. Dort mussten kürzlich die Radstreifen neu markiert werden, nachdem es zu gefährlichen Situationen gekommen war. «Der Verkehrsraum gehört allen, nicht nur einer bestimmten Gruppe», betont Verkehrsdezernent Stephan Kühn bei einer Ortsbegehung. Eine Beobachtung, die ich in zwanzig Jahren Berichterstattung immer wieder mache: Wo Verkehrspolitik ideologisch aufgeladen wird, verhärten sich die Fronten schnell.
Besonders deutlich wird das an den Reaktionen der Anwohner. «Ich fahre seit 40 Jahren Auto in dieser Stadt, jetzt fühle ich mich wie ein Verkehrshindernis», klagt Rentner Wolfgang Meier aus der Johannstadt. Die Perspektive wechselt bei Familienvater Thomas Lehmann: «Mit zwei kleinen Kindern brauche ich sichere Wege – ohne Angst vor dem nächsten LKW.»
Verkehrsexpertin Dr. Claudia Werner von der TU Dresden sieht das Problem tiefer verankert: «Wir diskutieren über Symptome, nicht über Ursachen. Dresden braucht ein ganzheitliches Mobilitätskonzept, das alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt.» Bei meinem Gang durch die Neustadt fällt mir auf: Wo Begegnungszonen funktionieren, nehmen Menschen mehr Rücksicht aufeinander.
Die Stadt steht vor einer Grundsatzentscheidung: Soll der begrenzte Raum weiter nach alten Mustern verteilt werden, oder braucht es neue Konzepte für eine wachsende Stadt? Vielleicht liegt die Lösung weniger in der Frage «Auto oder Fahrrad?», sondern im «Sowohl-als-auch» – mit klugem Augenmaß und ohne ideologische Scheuklappen.