Der Schock sitzt tief nach jenen Schüssen, die am Hamburger Steindamm einen 31-Jährigen lebensgefährlich verletzten. Vor Gericht sagte nun ein 15-jähriger Schüler aus, der bei der Tat dabei war. Das Bild, das er im Zeugenstand zeichnete, ist bedrückend: Jugendliche, die sich mit Waffen wichtig machen wollen und plötzlich inmitten einer Gewalteskalation stehen. Der Schütze, ein 17-Jähriger, steht unter Mordverdacht.
Was als harmloser Nachmittag begann, endete in einem Albtraum. «Wir wollten eigentlich nur in die Stadt», berichtete der Zeuge mit leiser Stimme. Er kannte den mutmaßlichen Schützen nur flüchtig, hatte sich mit ihm und weiteren Jugendlichen getroffen. Dann zeigte ihm der 17-Jährige plötzlich eine Pistole – «einfach so, um anzugeben», wie der Schüler vermutet.
Die Gruppe zog weiter zum Steindamm, wo es zum verhängnisvollen Zusammentreffen mit dem späteren Opfer kam. Nach einer kurzen Auseinandersetzung fielen die Schüsse. «Ich hab nur gemerkt, dass alle wegrennen, und bin auch gerannt», erinnert sich der 15-Jährige. Erst später habe er begriffen, was passiert war.
Als ich im Gerichtssaal die Aussage des Jungen verfolge, fällt mir auf, wie jung und verloren er wirkt. In meinen fast zwanzig Jahren Berichterstattung habe ich immer wieder erlebt, wie schnell Jugendliche in Situationen geraten können, die ihr Leben für immer verändern.
Laut Hamburger Gewaltpräventionsstelle ist die Zahl der Jugendlichen, die Waffen mit sich führen, in den letzten Jahren gestiegen. «Viele suchen nach Anerkennung und Respekt», erklärt Sozialpädagoge Martin Kleiber, der mit Jugendlichen in St. Georg arbeitet. «Die Waffe gibt ihnen ein falsches Gefühl von Macht.»
Der Prozess wird noch Wochen dauern. Für den 15-jährigen Zeugen ist der Albtraum jedoch nicht vorbei. Wie geht ein Jugendlicher damit um, wenn ein flüchtiger Bekannter zum mutmaßlichen Mörder wird? Eine Frage, die auch nach Prozessende bleiben wird.