Seit diesem Monat können Interessierte in Leipzig auf einen digitalen Schatz der Zeitgeschichte zugreifen. Das neue Online-Archiv Sounds of Resistance dokumentiert den musikalischen Jugendwiderstand in der DDR bis zur Friedlichen Revolution. Die Sammlung wurde vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. ins Leben gerufen und enthält über 600 Audio- und Videodokumente.
Die Punk- und alternative Musikszene spielte im Leipzig der 1980er Jahre eine entscheidende Rolle bei der Opposition gegen das SED-Regime. Viele junge Menschen fanden in selbstorganisierten Konzerten und selbstproduzierten Kassetten ein Ventil für ihren Protest. «Diese Musik war unser Lebenselixier, unser Ausdruck von Freiheit in einem System, das uns kontrollieren wollte», erinnert sich Michael Kölsch, damals aktiv in der Leipziger Untergrundszene.
Das Archiv umfasst Aufnahmen verbotener Konzerte, Interviews mit Zeitzeugen und Fotos aus privaten Sammlungen. Besonders wertvoll sind die Kassettenmitschnitte, die damals heimlich von Hand zu Hand weitergegeben wurden. «Wir haben teilweise Originalaufnahmen, die seit 40 Jahren in Schuhkartons auf Dachböden lagerten», erklärt Projektleiterin Sandra Heß.
Wenn ich an meine Anfänge als Journalist zurückdenke, waren es genau diese Geschichten des Alltagswiderstands, die mich faszinierten – kleine Rebellionen, die zusammen Geschichte schrieben. Die Staatssicherheit versuchte zwar, die Szene zu infiltrieren und zu zerschlagen, doch die Musik fand immer neue Wege.
Das Archiv zeigt auch die Verbindung zwischen musikalischem Widerstand und den Montagsdemonstrationen, die schließlich zur Wende führten. «Das Besondere ist die Alltagsgeschichte von unten», betont Historiker Dr. Thomas Weber. «Hier spricht nicht die offizielle Geschichtsschreibung, sondern die Jugend selbst.»
Für die Leipziger Stadtgesellschaft bietet das Archiv nun die Chance, einen wichtigen Teil ihrer Geschichte zu bewahren. Die Sammlung wächst weiter: Zeitzeugen können eigene Erinnerungsstücke beisteuern. Gerade in Zeiten demokratischer Herausforderungen stellt sich die Frage: Was können wir heute von diesem kreativen Widerstandsgeist lernen?