Die Lebensretter-App piepte ausgerechnet 30 Minuten vor Abflug nach Mallorca. «Herz-Kreislauf-Stillstand in der Nähe», zeigte das Display von Marcel Krohns Smartphone. Der 45-jährige Stuttgarter zögerte nicht lange. Urlaub hin oder her – hier ging es um ein Menschenleben im Stadtteil Fasanenhof, nur wenige Minuten entfernt.
Seit drei Jahren ist Krohn einer von mittlerweile 1.500 freiwilligen Ersthelfern in Stuttgart, die über die App «Region der Lebensretter» alarmiert werden können. Das System wählt automatisch bis zu fünf qualifizierte Helfer in der Nähe eines Notfalls aus. «Der Zeitfaktor ist entscheidend», erklärt Dr. Matthias Münch, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes in Stuttgart. «Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand sinkt die Überlebenschance pro Minute um zehn Prozent.»
Als Krohn am Einsatzort eintraf, war bereits ein anderer App-Helfer vor Ort und hatte mit der Herzdruckmassage begonnen. Gemeinsam wechselten sie sich ab, bis der Rettungswagen eintraf. «Man funktioniert in solchen Momenten einfach», sagt Krohn. «Das Training gibt dir die nötige Sicherheit.»
Die Überlebenschance bei Herzstillstand konnte durch das System in Stuttgart bereits von 11 auf 17 Prozent gesteigert werden. Jeder kann sich als Lebensretter registrieren, sofern er eine medizinische Grundausbildung nachweisen kann – vom Sanitäter bis zum Arzt.
Seinen Mallorca-Flug hat Krohn übrigens verpasst. «Aber das war es wert», meint er. «Der Patient hat überlebt.» In meinen fast zwanzig Jahren als Journalistin habe ich selten eine so einfache wie wirkungsvolle Innovation erlebt.
Was in Stuttgart begann, wird inzwischen in vielen deutschen Regionen eingesetzt. Das nächste Ziel: Eine flächendeckende Vernetzung bundesweit. Denn wie Notfallmediziner immer wieder betonen: Bei einem Herzstillstand zählt nicht nur jede Minute – sondern auch jeder, der bereit ist zu helfen.