In Berlin leben aktuell über 6.000 Kinder und Jugendliche in Obdachlosenunterkünften – ein alarmierender Rekord. Ihre Familien haben ihre Wohnungen verloren und finden keine neuen. Besonders dramatisch: Fast 2.000 dieser jungen Menschen leben bereits länger als ein Jahr in den provisorischen Unterkünften, die eigentlich nur für den Notfall gedacht sind. Der Berliner Senat spricht von einer «besorgniserregenden Entwicklung».
Die Ursachen liegen auf der Hand: explodierende Mieten, ein angespannter Wohnungsmarkt und zu wenig bezahlbarer Wohnraum für Familien. «Wir beobachten, dass immer mehr Familien mit Kindern in die Wohnungslosigkeit rutschen», erklärt Sarah Weber vom Berliner Kinderschutzbund. Die Unterkünfte sind meist nicht kindgerecht. Gemeinschaftsküchen und -bäder müssen geteilt werden, Privatsphäre fehlt, Hausaufgaben werden am Bett erledigt.
Als ich letzte Woche eine dieser Unterkünfte in Neukölln besuchte, erzählte mir die 10-jährige Mia: «Ich traue mich nicht, Freunde nach Hause einzuladen. Die sollen nicht sehen, wo ich wohne.» Diese Scham erlebe ich in meinen Gesprächen immer wieder.
Experten warnen vor den langfristigen Folgen für die Entwicklung der Kinder. «Die fehlende Stabilität beeinträchtigt schulische Leistungen und das soziale Miteinander», sagt Professor Hartmut Klein von der Humboldt-Universität. Der Senat hat zwar ein Sofortprogramm angekündigt, doch das Problem ist strukturell. Mehr bezahlbarer Wohnraum und Unterstützung bei der Wohnungssuche – darin sind sich alle einig – wären die wichtigsten Schritte.
Bleibt die Frage: Wie kann eine reiche Stadt wie Berlin es zulassen, dass tausende Kinder ohne richtiges Zuhause aufwachsen?