In Essen-Rüttenscheid fallen die Lichter einer beliebten Traditionsgaststätte aus. Nach 27 Jahren schließt die Kultkneipe «Spieker» Ende Juni endgültig ihre Pforten. Besonders hart trifft es die Stammgäste, die hier jahrelang ihre zweite Heimat fanden. Täglich kamen rund 150 Gäste, an Wochenenden sogar über 200, um bei kühlem Bier und deftigen Speisen den Alltag hinter sich zu lassen.
«Wir haben alles versucht, aber die Kombination aus gestiegenen Energiekosten, Personalmangel und veränderten Ausgehgewohnheiten nach der Pandemie ließ uns keine Wahl», erklärt Inhaber Michael Weber mit hörbarer Wehmut. Die monatlichen Betriebskosten seien um fast 40 Prozent gestiegen, während gleichzeitig weniger Gäste kämen.
In der Rüttenscheider Straße, wo der «Spieker» seit 1997 eine feste Größe war, hinterlässt die Schließung eine spürbare Lücke. Bei meinem letzten Besuch vergangene Woche sah ich viele Gesichter, die sich seit Jahrzehnten hier trafen. Die Stimmung schwankte zwischen Nostalgie und Trauer.
Auch für die zehn Mitarbeiter bedeutet das Ende eine einschneidende Veränderung. Kellnerin Sabine Müller, seit 15 Jahren dabei, sagt unter Tränen: «Wir waren wie eine Familie. Viele Gäste kenne ich seit ihrem ersten Besuch.»
Die Essener Gastronomie-Szene verliert damit ein weiteres Traditionslokal. Im vergangenen Jahr schlossen bereits fünf alteingesessene Betriebe in der Innenstadt. Branchenexperten sehen einen besorgniserregenden Trend zur Verödung der Innenstädte.
Am letzten Juni-Wochenende plant Weber eine große Abschiedsfeier. «Wir gehen mit erhobenem Haupt und vielen wunderbaren Erinnerungen», sagt er. Was aus den Räumlichkeiten wird, ist noch unklar. Die Frage bleibt: Verlieren unsere Städte mit jedem geschlossenen Traditionslokal nicht auch ein Stück ihrer Seele?