In Münchens ältester Eisdiele kosten zwei Kugeln Eis noch immer gerade mal vier Euro – ein Preis, der in der teuersten Stadt Deutschlands fast wie aus der Zeit gefallen wirkt. Seit 1879 existiert die Eisdiele Sarcletti am Rotkreuzplatz, und wenn ich an Sommertagen dort vorbeikomme, stehen die Menschen noch immer Schlange. Laut einer aktuellen Umfrage zahlen Münchner durchschnittlich 1,80 Euro pro Kugel Eis – bei Sarcletti sind es zwei Euro.
«Die Tradition verpflichtet», erklärt mir Inhaberin Maria Sarcletti, während sie routiniert eine Waffel mit Haselnusseis füllt. Der Familienbetrieb in fünfter Generation hat schon Kaiser, Wirtschaftswunder und Gentrifizierung überdauert. «Natürlich kämpfen wir mit steigenden Kosten für Milch und Zucker, aber unsere Stammkunden wissen gutes Handwerk zu schätzen.»
Anders als viele moderne Eisdielen verzichtet Sarcletti auf exotische Kreationen wie Avocado-Basilikum. Stattdessen setzt man auf bewährte Rezepte und regionale Zutaten. Die Heidelbeeren kommen aus dem bayerischen Wald, die Milch von Höfen aus dem Umland.
Was mich bei meinen Recherchen überrascht: Während hippe Neukonzepte im Glockenbachviertel kommen und gehen, bleiben traditionelle Betriebe wie Sarcletti beständig. Die Münchner Gastroszene wandelt sich rasant – allein im vergangenen Jahr haben laut Dehoga Bayern 230 Betriebe in der Stadt geschlossen, gleichzeitig eröffneten 198 neue.
Bei Sarcletti dagegen scheint die Zeit stillzustehen. In der holzvertäfelten Stube erzählt mir ein 87-jähriger Stammgast: «Ich komme seit 1956 hierher. Das Vanilleeis schmeckt noch genauso wie damals.» In Zeiten von Preissteigerungen und kurzlebigen Food-Trends ein bemerkenswertes Phänomen.
Doch was macht ein traditionsreiches Familienunternehmen langfristig erfolgreich? «Wir bleiben bei dem, was wir können, aber sind trotzdem offen für die Zukunft», sagt Maria Sarcletti. Der nächste Generationswechsel steht bereits an – und mit ihm vielleicht auch behutsame Neuerungen, ohne die Seele des Betriebs zu verändern. In einer Stadt, die ständig nach dem Neuesten sucht, scheint manchmal gerade das Beständige den wahren Zeitgeist zu treffen.