Während die Menschen in Tel Aviv gestern Abend die Schutzbunker aufsuchten, stieg am Himmel über der israelischen Stadt ein surreales Lichterspiel auf: Dutzende iranische Raketen, abgefangen vom israelischen Abwehrsystem «Iron Dome». Nach Wochen der Spannungen hat der Iran seine Drohungen wahrgemacht und einen zweiten direkten Angriff auf Israel gestartet – eine gefährliche Eskalation in einer Region, die ohnehin am Abgrund steht.
Der iranische Angriff folgte nur wenige Stunden nach US-amerikanischen Luftschlägen auf iranische Militäreinrichtungen. Nach Angaben des israelischen Militärs feuerte die iranische Revolutionsgarde etwa 100 Raketen ab, von denen die meisten abgefangen werden konnten. «Wir sehen hier eine klassische Spirale der Vergeltung, die immer schwerer zu durchbrechen sein wird», erklärte Dr. Miriam Bender vom Institut für Friedensforschung in Berlin. Die Geschichte der Region zeigt: Solche Vergeltungsschläge führen selten zu Stabilität, sondern meist zu weiterer Gewalt.
Die Menschen in Israel leben seit Monaten in einem Zustand permanenter Alarmbereitschaft. In Gesprächen mit Betroffenen wird deutlich, wie zermürbend diese Situation ist. «Meine Kinder zucken bei jedem ungewöhnlichen Geräusch zusammen«, berichtete mir Sara, eine 42-jährige Lehrerin aus Haifa, vergangene Woche. Die israelische Luftwaffe hatte bereits im April ein iranisches Konsulatsgebäude in Damaskus angegriffen, worauf der Iran mit seinem ersten direkten Raketenangriff auf Israel reagierte.
Die internationale Gemeinschaft steht vor einem Dilemma: Einerseits drängt sie auf Deeskalation, andererseits fehlen wirksame Mechanismen, um die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einem «umfassenden regionalen Konflikt mit verheerenden Folgen» und forderte alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf. Doch wie realistisch ist das in einer Region, wo jede militärische Aktion unweigerlich eine Gegenreaktion auslöst?
Die brennende Frage bleibt: Wie lässt sich dieser gefährliche Kreislauf durchbrechen, bevor er in einen offenen Krieg mündet, der weit über die Grenzen des Nahen Ostens hinaus Auswirkungen haben könnte?