Die politische Landschaft Berlins steht vor einem historischen Umbruch. CDU und SPD einigten sich gestern auf Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz – ein Vorhaben, das seit dem erfolgreichen Volksentscheid 2021 die Gemüter erhitzt. Damals stimmten über 59 Prozent der Berliner für die Enteignung großer Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen.
Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Koalitionspartner nun auf konkrete Schritte geeinigt. Das geplante Rahmengesetz soll rechtssichere Grundlagen für mögliche Vergesellschaftungen schaffen – ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte. Betroffen wären Unternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia, die zusammen über 150.000 Wohnungen in Berlin besitzen.
„Wir nehmen den Volksentscheid ernst und schaffen die rechtlichen Voraussetzungen», erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Gleichzeitig betonte er: „Eine tatsächliche Vergesellschaftung wird es mit der CDU nicht geben.» Die SPD sieht das Gesetz hingegen als Erfolg und wichtigen Schritt zur Umsetzung des Volksbegehrens.
Als ich gestern mit Mietern in Kreuzberg sprach, war die Stimmung gemischt. «Wir glauben erst an Veränderung, wenn sie kommt», sagte mir eine ältere Dame, die seit 40 Jahren in ihrer Wohnung lebt und ständig steigende Mieten fürchtet.
Der Gesetzentwurf soll bis Mitte 2025 vorliegen. Ob er jemals zur Anwendung kommt, bleibt fraglich. Die Initiative «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» kritisiert die Vereinbarung als «faulen Kompromiss» und spricht von Verzögerungstaktik.
Berlin betritt damit politisches Neuland. Während die einen von «Sozialismusfantasien» sprechen, sehen andere eine historische Chance für bezahlbaren Wohnraum. In meinen fast zwei Jahrzehnten als Journalistin habe ich selten ein Thema erlebt, das die Stadt so grundsätzlich spaltet – und das zeigt: Hier geht es um weit mehr als Paragraphen. Es geht um die Frage, wem die Stadt gehören soll.