In Stuttgart ist Deutschlands erster Lehrstuhl für Comic und Graphic Novel entstanden. Die Berthold Leibinger Stiftung stellt dafür rund zwei Millionen Euro bereit. Die auf fünf Jahre angelegte Professur ist an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart angesiedelt und soll das Verständnis für diese Kunstform vertiefen.
Als ich gestern durch die Stuttgarter Innenstadt schlenderte, konnte ich in mehreren Buchhandlungen beobachten, wie Comics längst nicht mehr in versteckten Ecken stehen. «Comics haben sich vom Nischenprodukt zum anerkannten Kulturgut entwickelt«, erklärt Prof. Barbara Bader, Rektorin der Kunstakademie. In Frankreich oder Japan genießen sie seit Jahrzehnten hohes Ansehen, Deutschland hinkte lange hinterher.
Die Entwicklung ist beeindruckend: Der Comic-Markt in Deutschland wächst jährlich um etwa 5 Prozent. Dabei sind es nicht nur Superhelden-Geschichten, die Leser finden. Graphic Novels behandeln komplexe Themen wie Flucht, Identität oder gesellschaftliche Umbrüche. «Comics können Geschichten erzählen, die in Worten allein schwer zu fassen sind», sagt Comic-Künstlerin Barbara Yelin, die für ihre Werke mehrfach ausgezeichnet wurde.
Die Stiftungsprofessur soll künftige Illustratoren nicht nur technisch ausbilden, sondern auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung fördern. In meinen 15 Jahren als Wirtschaftsjournalist habe ich immer wieder festgestellt, wie wirksam visuelle Erzählformen komplexe Zusammenhänge vermitteln können – eine Kompetenz, die auch in der Wirtschaftskommunikation zunehmend gefragt ist.
Für junge Kreative in Süddeutschland eröffnen sich neue Perspektiven. Die Professur könnte zum Ausgangspunkt einer lebendigen Comic-Szene werden, die über die Region hinausstrahlt. Bleibt zu hoffen, dass der Lehrstuhl nach den fünf Jahren verstetigt wird. Denn eines ist klar: Die neunte Kunst hat ihren Platz in der Bildungslandschaft längst verdient.