Die Nerven liegen blank an der deutsch-polnischen Grenze. Seit drei Tagen stehen Autofahrer und Lkw-Fahrer in kilometerlangen Staus. Grund sind die neuen stationären Grenzkontrollen, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag angeordnet hat. Wartezeiten von bis zu vier Stunden sind keine Seltenheit. Allein gestern wurden 80 Personen zurückgewiesen, die Mehrheit wegen fehlender Papiere.
«Das trifft uns mitten ins Herz», sagt Tobias Kroll, Inhaber eines Transportunternehmens in Frankfurt an der Oder. Seine Fahrer verlieren täglich wertvolle Zeit. «Wenn ein Lkw vier Stunden im Stau steht, kostet mich das 400 Euro – pro Fahrzeug.» Für die rund 25.000 Pendler, die täglich die Grenze überqueren, bedeuten die Kontrollen massive Einschnitte in ihren Alltag.
Ich habe gestern selbst die Situation an der Grenze bei Görlitz beobachtet. Menschen standen frustriert neben ihren Autos, polnische Arbeitnehmer kamen zu spät zur Schicht. Eine Krankenschwester aus Zgorzelec erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass sie ihren Dienst im Görlitzer Krankenhaus nicht pünktlich antreten konnte.
Die Kommunen an der Grenze schlagen Alarm. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt», kritisiert der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu. Die deutsch-polnischen Beziehungen, die sich über Jahrzehnte positiv entwickelt haben, drohen Schaden zu nehmen. Polens Ministerpräsident Donald Tusk sprach von einer «schwierigen Situation» und kündigte Gespräche an.
Experten bezweifeln die Wirksamkeit der Maßnahmen gegen irreguläre Migration. «Stationäre Kontrollen binden enorme Ressourcen, während Schleuser einfach auf Schleichwege ausweichen», erklärt Prof. Sandra Lavenex von der Universität Genf.
Für die Menschen in der Grenzregion bleibt die bange Frage: Wie lange soll dieser Zustand anhalten? Die Bundesregierung spricht von «vorübergehenden Maßnahmen», konkrete Zeitangaben fehlen jedoch. Eines ist klar: Je länger die Kontrollen dauern, desto tiefer werden die Gräben zwischen zwei Nachbarn, die eigentlich zusammengewachsen waren.