Mitten in Essen ruht eine Weltkriegsbombe – wieder einmal. Frank Stommel steht bereit, seine Hände ruhig, der Blick konzentriert. Es ist sein 627. Einsatz. Der erfahrene Bombenentschärfer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes kennt dieses Szenario nur zu gut. Allein im Ruhrgebiet wurden letztes Jahr 162 Bomben entschärft, in Essen waren es 23 – fast zwei pro Monat.
«Jede Bombe ist anders, jede hat ihre eigene Geschichte», erklärt Stommel im Podcast «Essen im Ohr». Seine Stimme klingt dabei erstaunlich gelassen. Der 54-Jährige arbeitet seit über zwei Jahrzehnten in diesem außergewöhnlichen Beruf. Was für uns nach extremer Gefahr klingt, ist für ihn Alltag geworden. «Natürlich gibt es immer ein Restrisiko, aber mit Erfahrung und der richtigen Technik minimieren wir das.»
Besonders spannend: Stommel kennt die Stadt wie seine Westentasche – aus einer Perspektive, die kaum jemand teilt. «In manchen Stadtteilen weiß ich genau, welche Bombentypen dort liegen könnten.» Erst kürzlich mussten in Rüttenscheid 11.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Ich erinnere mich noch an die Gesichter der Anwohner – eine Mischung aus Routine und Unbehagen.
Die größte Herausforderung sind nicht immer die Bomben selbst, sondern die logistischen Mammutaufgaben bei Evakuierungen. «Manchmal müssen wir Altenheime räumen oder den Verkehr umleiten. Das braucht mehr Nerven als die eigentliche Entschärfung», sagt er schmunzelnd.
Was viele nicht wissen: Die meisten gefundenen Bomben sind britischen Ursprungs. «Die amerikanischen hatten oft chemische Zünder, die sind heute weniger problematisch. Die britischen mechanischen Zünder dagegen können nach 80 Jahren noch funktionieren.»
Wenn alles gut geht, gibt es kaum öffentliche Aufmerksamkeit. «Es ist wie beim Fliegen – nur Abstürze machen Schlagzeilen.» In Hamburg, wo ich aufgewachsen bin, gehörten Bombenfunde ebenso zum Stadtleben wie hier im Ruhrpott.
Die Experten rechnen damit, dass noch Jahrzehnte lang Blindgänger gefunden werden. Ein Ende ist nicht in Sicht. Wie gut, dass es Menschen wie Frank Stommel gibt, die mit ruhiger Hand für unsere Sicherheit sorgen – während wir unseren Kaffee trinken, ohne an die schlummernden Gefahren unter unseren Füßen zu denken.