Die Corona-Aufarbeitung im Bundestag hat begonnen – drei Jahre nach dem ersten Lockdown. Gestern konstituierte sich die Enquete-Kommission zur Pandemiepolitik mit Abgeordneten und Experten aller Fachrichtungen. Eine unabhängige Untersuchung der Maßnahmen wird von 76 Prozent der Deutschen befürwortet, wie eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt. Die große Frage lautet: Hat die Politik richtig gehandelt?
Als ich im Frühjahr 2020 durch leere Hamburger Straßen lief, hätte ich nicht gedacht, dass die Kontroversen um Schulschließungen und Impfpflicht unsere Gesellschaft derart spalten würden. Die Kommission steht nun vor der Mammutaufgabe, die teils drastischen Eingriffe in Grundrechte kritisch zu betrachten. «Wir müssen Lehren für künftige Krisen ziehen, ohne in politische Schuldzuweisungen zu verfallen«, sagte mir gestern Professor Klaus Stöhr, Virologe und Kommissionsmitglied.
Die Bilanz der Pandemiepolitik ist gemischt: Deutschland verzeichnete weniger Todesfälle als viele Nachbarländer, doch die psychischen Folgen bei Kindern und Jugendlichen sind gravierend. Eine Studie der Uni München dokumentiert einen Anstieg von Depressionen um 27 Prozent bei unter 18-Jährigen. Die Wirtschaft kämpft noch immer mit den Nachwirkungen.
Besonders der Föderalismus zeigte seine Schwächen. In Baden-Württemberg galten andere Regeln als in Bayern – ein Flickenteppich, der viele Menschen verwirrte. «Die Kommunikation war oft katastrophal«, erinnert sich eine Schulleiterin aus München, die anonym bleiben möchte.
Die Kommission sollte jetzt Klartext sprechen: Was lief schief, was war richtig? Nur so können wir für künftige Krisen gewappnet sein. Denn eines ist sicher: Die nächste kommt bestimmt.