Die deutsche Gesellschaft steht erneut erschüttert vor einem Fall, der zeigt, wie schwer sexualisierte Gewalt bestraft wird. In Berlin wurde Marvin S. nach einer brutalen Tat an einer 17-Jährigen, die später starb, zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Landgericht Berlin sah es als erwiesen an, dass der 42-Jährige die junge Frau im Juni 2022 nach Drogenkonsum vergewaltigte. Die Jugendliche starb kurz darauf an einer Überdosis.
Der Fall hat in der Hauptstadt eine Debatte über Sexualstraftaten und deren juristische Aufarbeitung entfacht. Die Mutter des Opfers saß während der Urteilsverkündung im Gerichtssaal – ihre Anwesenheit machte die menschliche Tragödie hinter den juristischen Formulierungen greifbar. «Mit keiner Strafe der Welt kann man das wiedergutmachen, was passiert ist«, sagte Oberstaatsanwalt Ralph Knispel nach dem Urteil.
Besonders erschütternd: Die Ermittlungen ergaben, dass Marvin S. die hilflose Situation des Mädchens ausnutzte, statt Hilfe zu holen. Die Nebenklage hatte auf Mord plädiert, doch das Gericht folgte dieser Einschätzung nicht. Der Täter hatte während des Prozesses geschwiegen, erst kurz vor Urteilsverkündung ein Teilgeständnis abgelegt.
In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich beobachtet, wie solche Fälle die Gesellschaft spalten. In Berliner Cafés und auf den Straßen in Kreuzberg diskutieren Menschen, ob die Strafe angemessen ist. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre gefordert.
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie schützen wir vulnerable Menschen besser? Und was bedeutet Gerechtigkeit für Opfer sexualisierter Gewalt? Während das Urteil Rechtskraft erlangen muss, bleibt für viele ein bitterer Nachgeschmack. Denn kein Urteil kann ein verlorenes Leben zurückbringen.