Die Residenzstadt im Klassikfieber: Am vergangenen Wochenende verwandelte sich der Münchner Odeonsplatz wieder in einen gewaltigen Konzertsaal unter freiem Himmel. Rund 16.000 Musikbegeisterte kamen trotz anfänglicher Regenschauer zur 24. Ausgabe von «Klassik am Odeonsplatz». Die Feldherrnhalle und die Theatinerkirche bildeten eine prachtvolle Kulisse für dieses musikalische Großereignis, das längst zu den Höhepunkten des Münchner Kultursommers zählt.
Es war ein besonderer Moment, als der Regen nachließ und der russische Klaviervirtuose Daniil Trifonov am Samstagabend die Bühne betrat. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Jakub Hrůša interpretierte er Rachmaninows 3. Klavierkonzert. «Die Herausforderung liegt nicht nur in der technischen Komplexität, sondern im emotionalen Ausdruck«, erklärte Trifonov nach seinem umjubelten Auftritt.
Der Sonntagabend gehörte dann den Münchner Philharmonikern mit ihrem Chefdirigenten Lahav Shani. Auf dem Programm standen Werke von Berlioz, Tschaikowsky und Ravel. Ein Höhepunkt war Maurice Ravels «Boléro», der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. «Es ist überwältigend, in dieser Atmosphäre zu spielen«, sagte Shani. «Die Verbindung zwischen Musikern und Publikum ist hier besonders intensiv.»
Als Reporterin habe ich über die Jahre beobachtet, wie dieses Festival Menschen aller Altersgruppen zusammenbringt. Von Klassikpuristen bis zu Familien mit Picknickkorb – die Demokratisierung der Hochkultur findet hier tatsächlich statt. Besonders berührend war der Moment, als ein älterer Herr neben mir seinem Enkel die verschiedenen Instrumente erklärte.
Was als kulturelles Experiment begann, ist heute ein unverzichtbarer Teil des Münchner Stadtlebens. Die Veranstalter planen bereits die Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen im nächsten Jahr. Wird es gelingen, den Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und Massenveranstaltung weiterhin zu meistern? Die Begeisterung der Münchner lässt kaum Zweifel daran.