Die ersten Abschiebungen nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban haben eine Welle der Kritik ausgelöst. Gestern landete ein Flugzeug mit 28 verurteilten Straftätern in Kabul. «Ein notwendiger Schritt zur Sicherheit in Deutschland», erklärte Innenministerin Nancy Faeser. Die Opposition hingegen sieht darin einen «gefährlichen Präzedenzfall für Abschiebungen in ein Land unter Terrorherrschaft».
Die Abschiebungen erfolgen auf Basis des neuen Migrationspakets, das der Bundestag im April verabschiedet hatte. Nach den Anschlägen von Mannheim und Solingen stand die Regierung unter enormem Druck, härtere Maßnahmen zu ergreifen. Laut aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration leben derzeit etwa 27.000 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland.
«Wir können nicht einerseits die Taliban als Terrorregime bezeichnen und andererseits Menschen dorthin zurückschicken», kritisiert Günter Burkhardt von Pro Asyl. Die Bundesregierung betont hingegen, dass ausschließlich Schwerkriminelle betroffen seien.
Bei meinem Besuch in der afghanischen Community in Hamburg letzte Woche spürte ich die Verunsicherung. «Wir verstehen, dass Straftäter bestraft werden müssen, aber Afghanistan ist nicht sicher», sagte mir Najib M., der seit acht Jahren in Deutschland lebt.
Auch Völkerrechtler sehen die Abschiebungen kritisch. «Die Bundesregierung bewegt sich auf dünnem Eis», warnt Professor Christoph Möllers von der Humboldt-Universität. Menschenrechtsorganisationen haben bereits Klagen angekündigt.
Die gesellschaftliche Debatte über Sicherheit und Humanität spitzt sich zu. In den nächsten Wochen sind weitere Abschiebungen geplant. Während die einen darin konsequente Migrationspolitik sehen, fürchten andere einen grundsätzlichen Kurswechsel. Die Frage bleibt: Wie vereinbart Deutschland seine humanitären Werte mit dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung?