Die Dresdner Neustadt probte gestern für einen Tag das autofreie Leben. Auf der Alaunstraße, einer der beliebtesten Flaniermeilen im Szeneviertel, durften von 12 bis 22 Uhr keine Fahrzeuge fahren oder parken. Stattdessen eroberten Fußgänger den Straßenraum, während Initiativen wie der ADFC und die Verkehrswende Dresden an Infoständen über nachhaltige Mobilität informierten.
«Eine Stadt für Menschen, nicht für Autos» – dieses Motto trugen die Veranstalter von der Bürgerinitiative «Neustadt autofrei» vor sich her. Die temporäre Sperrung sollte zeigen, wie ein Stadtteil ohne motorisierten Individualverkehr funktionieren könnte. Tatsächlich verwandelte sich die Alaunstraße schnell in einen Begegnungsraum: Kinder malten mit Kreide auf dem Asphalt, Nachbarn stellten Stühle und Tische heraus, Menschen flanierten entspannt auf der Straße.
«Was wir heute erleben, ist ein kleiner Vorgeschmack auf eine lebenswertere Stadt», erklärte Sarah Mehner von der Initiative Neustadt autofrei. Die junge Anwohnerin wohnt seit fünf Jahren in der Neustadt und erlebt täglich den Kampf um den knappen Straßenraum. «Hier leben viele Menschen auf engem Raum, während Autos den größten Teil der öffentlichen Fläche beanspruchen – obwohl sie die meiste Zeit nur herumstehen.»
Die Resonanz bei Passanten und Anwohnern fiel gemischt aus. Während viele die ruhigere Atmosphäre lobten, äußerten einige Gewerbetreibende Sorge um ihre Kundschaft. «Ohne Parkmöglichkeiten kommen weniger Leute zu mir», meinte Buchhändler Frank Stiller. Andere Geschäftsleute wie Café-Besitzerin Petra Weber sahen dagegen Vorteile: «Die Menschen bleiben länger, wenn es angenehmer ist.»
Die Aktion war Teil des europaweiten Tages der Mobilitätswende. In Dresden hatte ich solche Initiativen schon oft begleitet – doch selten war die Stimmung so entspannt wie hier in der Neustadt. Es wirkte, als hätten viele nur auf die Gelegenheit gewartet, den öffentlichen Raum anders zu nutzen.
Was bleibt vom autofreien Tag? Zumindest ein Gesprächsthema im Viertel. Die Organisatoren hoffen auf Wiederholung. Ob die Vision einer dauerhaft autofreien Neustadt realistisch ist, wird kontrovers diskutiert. Doch schon dieser kleine Test zeigte: Straßen können mehr sein als Verkehrsadern – sie können Lebensräume werden.