Die Zahlen sind alarmierend: Der deutsche Staat hat im vergangenen Jahr rund 2,73 Milliarden Euro für Unterhaltsvorschuss ausgegeben – so viel wie nie zuvor. Damit hilft er etwa 800.000 Kindern, deren getrennt lebender Elternteil keinen oder zu wenig Unterhalt zahlt. Besonders beunruhigend: Nur etwa 27 Prozent dieser Ausgaben konnten von den eigentlich zahlungspflichtigen Elternteilen zurückgeholt werden.
Was viele nicht wissen: Wenn ein Elternteil nach einer Trennung seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, springt der Staat ein. Ein Alleinerziehender in Hamburg berichtete mir kürzlich: «Ohne den Vorschuss könnte ich mir die Musikstunden meiner Tochter nicht leisten.» Solche Geschichten höre ich auf meinen Recherchereisen durch Deutschland immer wieder.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht Handlungsbedarf: «Wir müssen die Rückholquote deutlich verbessern.» Experten schätzen, dass etwa ein Drittel der säumigen Eltern tatsächlich zahlungsunfähig ist. Bei den übrigen fehlt es oft an Zahlungswillen oder sie entziehen sich geschickt ihrer Verantwortung.
Die Jugendämter stoßen an ihre Grenzen. «Wir bräuchten mehr Personal, um hartnäckige Fälle konsequent zu verfolgen«, erklärt eine Mitarbeiterin des Münchener Jugendamts. In Baden-Württemberg testet man bereits ein neues digitales System zur besseren Verfolgung von Unterhaltspflichtigen.
Besonders hart trifft es Kinder in sozial schwachen Familien. Studien zeigen, dass fehlender Unterhalt das Armutsrisiko von Kindern um bis zu 36 Prozent erhöht. Der Staat springt zwar ein – aber die emotionale Lücke bleibt.
Die Frage ist: Können wir es uns als Gesellschaft leisten, Eltern aus ihrer finanziellen Verantwortung zu entlassen? Und was bedeutet es für Kinder, wenn ein Elternteil sich nicht nur räumlich, sondern auch finanziell von ihnen distanziert?