Wenn der Wind über das Tempelhofer Feld fegt, beginnt für einige Berliner das große Abenteuer – ganz ohne Wasser. Landkiten heißt der Trend, der das ehemalige Flughafengelände in eine urbane Playground verwandelt. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h gleiten die Kiter auf Skateboards oder speziellen Buggys über den Asphalt, nur gezogen von der Kraft des Windes. Kein Wunder, dass an windigen Tagen mittlerweile bis zu 50 Enthusiasten gleichzeitig über das weitläufige Gelände sausen.
«Der Tempelhofer Feld ist ein absoluter Glücksfall für uns», erklärt Martin Weiser, der seit acht Jahren dem Landkiten verfallen ist. «In kaum einer anderen Großstadt findest du mitten im Zentrum so viel freie Fläche mit perfekten Windbedingungen.» Die Community wächst stetig, wobei sich besonders die Zahl der Frauen und Jugendlichen erhöht hat. Was früher als Nischensport galt, lockt heute Menschen aller Altersgruppen an. Das Equipment ist überschaubar: Ein Kite, ein Board oder Buggy und natürlich entsprechende Schutzkleidung reichen für den Einstieg.
Was die Szene besonders auszeichnet, ist ihr Gemeinschaftssinn. Neulinge werden herzlich aufgenommen, erfahrene Kiter geben ihr Wissen weiter. «Wir achten aufeinander», sagt Lisa Muschler, die zweimal pro Woche nach der Arbeit zum Kiten kommt. «Die Freiheit, die du spürst, wenn der Kite dich über den Boden zieht, ist unbeschreiblich – wie Fliegen, nur horizontal.» Die wachsende Popularität bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. Das Gelände wird von vielen Berlinern genutzt, Rücksichtnahme ist daher oberstes Gebot.
Die Faszination des Landkitens liegt nicht nur im Adrenalinkick, sondern auch in der Verbindung von Technik und Naturkraft. Während die meisten Städter den Wind als lästig empfinden, haben die Kiter eine neue Beziehung zu diesem Element entwickelt. Sie lesen Wetterkarten, spüren Luftdruckänderungen und wissen genau, wann der perfekte Tag für ihr urbanes Abenteuer gekommen ist. In einer zunehmend digitalisierten Welt bietet das Tempelhofer Feld damit einen Ort, an dem Mensch und Natur wieder unmittelbar in Kontakt treten – mit rasanter Geschwindigkeit.