Die Frage nach einer palästinensischen Staatlichkeit gewinnt inmitten des Gaza-Krieges neue Dringlichkeit. Während Spanien, Irland und Norwegen kürzlich ankündigten, einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen, bleibt die deutsche Bundesregierung bei ihrer zurückhaltenden Position. «Eine Anerkennung ohne Friedensprozess wäre ein symbolischer Akt ohne praktische Folgen für die Menschen vor Ort», erklärte Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch in Berlin.
Der aktuelle Vorstoß europäischer Partner stellt Deutschland vor ein diplomatisches Dilemma. Einerseits unterstützt Berlin offiziell die Zwei-Staaten-Lösung als langfristiges Ziel, andererseits betont die Bundesregierung, dass ein palästinensischer Staat erst am Ende eines Verhandlungsprozesses stehen sollte. «Wir brauchen echte Sicherheitsgarantien für Israel und funktionsfähige staatliche Strukturen für die Palästinenser», so ein hochrangiger Diplomat des Auswärtigen Amtes, der anonym bleiben möchte.
Die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel spielt bei dieser Positionierung eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig wächst der Druck durch die humanitäre Katastrophe in Gaza. Laut WHO sind mehr als 80 Prozent der Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen nicht mehr funktionsfähig – eine Situation, die an die schlimmsten humanitären Krisen der letzten Jahrzehnte erinnert.
Die palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Mahmoud Abbas begrüßte die Ankündigungen aus Madrid, Dublin und Oslo als «Schritt in die richtige Richtung». Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hingegen bezeichnete die Initiative als «Belohnung für Terrorismus». Diese Gegensätze verdeutlichen die Komplexität der Lage, in der Deutschland einen Balanceakt zwischen verschiedenen Loyalitäten und Werten vollführen muss.
Wie lange kann Berlin seine Position halten, wenn weitere EU-Partner nachziehen? Die Antwort hängt nicht nur von der Entwicklung im Nahen Osten ab, sondern auch davon, ob es gelingt, den seit Jahren stockenden Friedensprozess wiederzubeleben. Bis dahin bleiben symbolische Gesten und humanitäre Hilfe die Hauptinstrumente einer zunehmend hilflosen internationalen Gemeinschaft.