Die Hauptstadt könnte in Zukunft deutlich weniger Werbeflächen haben. Das Berliner Verwaltungsgericht hat gestern den Weg für ein Volksbegehren freigemacht, das kommerzielle Außenwerbung stark einschränken will. Die Initiative «Berlin Werbefrei» darf nun Unterschriften für ihre Vision einer Stadt ohne Leuchtreklamen, Werbetafeln und digitale Screens im öffentlichen Raum sammeln.
Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der viele Berlinerinnen und Berliner über die zunehmende visuelle Überfrachtung im Stadtbild klagen. Nach Zahlen des Senats gibt es derzeit über 33.000 kommerzielle Werbeanlagen im Stadtgebiet – Tendenz steigend, besonders bei digitalen Werbeformen.
«Werbung nimmt immer mehr unseren öffentlichen Raum ein, der eigentlich allen gehören sollte», erklärt Johannes Schmidt von der Initiative. «Wir wollen die ständige Konsumanimation im Stadtbild zurückdrängen.» In ihrem Gesetzentwurf fordert die Initiative ein grundsätzliches Werbeverbot mit wenigen Ausnahmen, etwa für kulturelle Veranstaltungen und lokale Geschäfte.
Die Werbewirtschaft läuft Sturm gegen das Vorhaben. «Ein weitgehender Werbeverzicht würde nicht nur unsere Branche mit über 3.000 Berliner Arbeitsplätzen gefährden, sondern auch Einnahmen von 30 Millionen Euro jährlich für die Stadt», warnt Kai Fischer vom Fachverband Außenwerbung.
Ich erinnere mich an ähnliche Debatten in München, wo ich lange gearbeitet habe. Dort führte die Einschränkung von Leuchtreklame zwar anfangs zu heftigen Protesten, mittlerweile loben aber viele das klarere Stadtbild. Besonders nachts macht sich der Unterschied bemerkbar.
Für das Volksbegehren müssen die Initiatoren nun rund 175.000 Unterschriften sammeln. Gelingt dies, könnte es 2025 zu einem Volksentscheid kommen. Die Frage, wem der öffentliche Raum gehört und wie viel kommerzielle Botschaften wir ertragen wollen, beschäftigt Berlin nun grundsätzlich. Ist weniger Werbung mehr Lebensqualität? Die Berliner werden es entscheiden.