Die Spielstraße in Berlin-Karlshorst, die samstags die Lehndorffstraße in einen bunten Treffpunkt verwandelt, zeigt eindrucksvoll, wie Nachbarschaftsinitiativen unsere Städte lebenswerter machen können. Seit 2020 sperren Anwohner hier jeden Samstag einen Teil der Straße für den Autoverkehr und schaffen Raum für Begegnung. Eine Erfolgsgeschichte, die aus der Corona-Zeit erwachsen ist und inzwischen etwa 40 regelmäßige Teilnehmer anzieht.
«Es ging uns darum, den öffentlichen Raum zurückzuerobern«, erklärt Mitinitiatorin Claudia Hesse, während um sie herum Kinder mit Kreide malen und Erwachsene bei Kaffee ins Gespräch kommen. Die improvisierte Spielstraße funktioniert denkbar einfach: Mit offizieller Genehmigung des Bezirks werden samstags von 14 bis 18 Uhr Absperrbaken aufgestellt, Spielzeug und Sitzgelegenheiten herausgetragen.
Was als pragmatische Antwort auf Kontaktbeschränkungen begann, hat sich zu einem sozialen Anker entwickelt. «Früher kannte ich kaum jemanden in der Straße, heute grüßen wir uns alle und helfen einander», berichtet Anwohnerin Sabine Müller. Die generationenübergreifenden Kontakte sind besonders wertvoll – Senioren bringen selbstgebackenen Kuchen mit, junge Familien organisieren Spielzeug, Studenten kümmern sich um die Musik.
Als Reporterin, die viele Stadtentwicklungsprojekte begleitet hat, beeindruckt mich besonders die Beharrlichkeit der Initiative. Anders als viele kurzlebige Nachbarschaftsprojekte hat sie den schwierigen Übergang aus der Pandemiezeit gemeistert. Die Karlshorster haben verstanden, dass solche Initiativen einen langen Atem brauchen.
Der Erfolg spricht sich herum. Andere Kieze in Berlin haben das Konzept bereits übernommen, und Stadtplaner interessieren sich für das niedrigschwellige Modell. «Wir brauchen keine teuren Umbauten, sondern Menschen, die Verantwortung übernehmen«, sagt der Lichtenberger Bezirksstadtrat Martin Schaefer. Das könnte ein Schlüssel für lebenswertere Städte sein – gerade in Zeiten knapper Kassen und steigender Wohnkosten.