Die Metzgerei Hilbig in Essen-Rüttenscheid schließt nach fast 90 Jahren ihre Türen. Inhaber Klaus Hilbig (65) hängt seinen Metzgerkittel an den Nagel – ein Nachfolger für das Traditionsgeschäft in der dritten Generation konnte nicht gefunden werden. Am 4. Mai bedient der Metzgermeister zum letzten Mal seine treuen Kunden an der Rüttenscheider Straße.
Für viele Essener bedeutet dies das Ende einer Ära. «Hier habe ich schon als Kind mit meinem Vater eingekauft», erzählt Stammkundin Marlene Krüger (72) mit feuchten Augen. Die Schlange vor dem Laden reicht an diesem Donnerstag bis auf den Gehweg hinaus. Jeder möchte sich persönlich verabschieden und ein letztes Mal die hauseigenen Spezialitäten erwerben.
Die Gründe für die Schließung sind vielschichtig. «Der Metzgerberuf ist ein harter Job – frühes Aufstehen, körperliche Arbeit, lange Tage», erklärt Hilbig, während er routiniert eine Wurst aufschneidet. Laut Deutschem Fleischerverband haben in den vergangenen 20 Jahren bundesweit fast 40 Prozent aller Metzgereien geschlossen. In Essen existierten 1990 noch 120 Fleischereien, heute sind es weniger als 40.
Besonders der Nachwuchsmangel macht der Branche zu schaffen. «Meine Kinder haben andere Wege eingeschlagen», sagt der Metzgermeister ohne Vorwurf. Zudem macht die Konkurrenz durch Supermärkte und steigende Energiekosten kleinen Betrieben zu schaffen. «Unsere Wurstmaschine läuft täglich stundenlang – die Stromrechnung hat sich in den letzten Jahren verdreifacht», berichtet Hilbig.
Was mir bei meinen Besuchen in den letzten Wochen besonders auffiel: Die Metzgerei war mehr als ein Geschäft – sie war ein sozialer Treffpunkt im Viertel. Hier wurden Neuigkeiten ausgetauscht, hier kannte man sich. Der Metzger wusste genau, wer welchen Aufschnitt bevorzugt.
Für das Ladenlokal gibt es bereits einen Nachmieter. Ein Feinkostgeschäft soll einziehen – immerhin bleibt die gastronomische Tradition gewahrt. Klaus Hilbig blickt trotz Wehmut optimistisch in seine Zukunft: «Jetzt habe ich endlich Zeit für meine Enkelkinder und kann auch mal am Wochenende ausschlafen.»
Das Verschwinden traditioneller Handwerksbetriebe verändert unsere Stadtteile nachhaltig. Was bleibt, sind die Erinnerungen und die Frage: Wie viel sind wir bereit, für Qualität und persönlichen Service zu zahlen?