Mitten in Berlin standen gestern 200 Polizisten und ein Dutzend Demonstranten vor einem baufälligen Altbau in der Rigaer Straße. Nach jahrelangem Rechtsstreit erfolgte die angekündigte Räumung des letzten besetzten Hauses im Kiez. Ein Bewohner, der seit 15 Jahren dort lebt, wurde unter Protest abgeführt. «Die Gentrifizierung frisst unsere Stadt auf», rief er den Beamten zu.
Die Eigentümergesellschaft, eine Luxemburger Holding, plant einen Luxusumbau. Mietpreise sollen laut Bauplänen bei mindestens 25 Euro pro Quadratmeter liegen – dreimal so hoch wie der Berliner Durchschnitt. Bezirksbürgermeister Marcel Sommer kritisiert: «Bezahlbarer Wohnraum wird wieder einmal vernichtet.»
Ich kenne solche Räumungen seit meinen Anfängen als Lokaljournalistin. Was sich geändert hat: Die Proteste sind kleiner geworden, die Resignation größer. Eine Anwohnerin sagte mir gestern: «Früher hätte das ganze Viertel auf der Straße gestanden.»
Parallel dazu spitzt sich eine andere Krise zu: In Berlin fehlen aktuell 150 Hebammen. Die Geburtsstation im Vivantes Friedrichshain schließt zum Jahresende. Werdende Mütter müssen teilweise bis nach Brandenburg ausweichen. Die Senatsgesundheitsverwaltung verspricht «zeitnahe Lösungen» – ein Versprechen, das seit Jahren wiederholt wird.
Während wir über Luxusimmobilien streiten, bricht die Grundversorgung weg. Beides sind Symptome derselben Entwicklung: In der wachsenden Stadt werden Gemeinwohlinteressen oft nachrangig behandelt. Die Frage bleibt: Wem gehört eigentlich diese Stadt?