Article – Die Debatte um Tempo 30 in Berlin nimmt eine überraschende Wendung: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will Tempo-30-Zonen vor Kitas und Schulen beibehalten, obwohl seine Partei den Abbau vieler anderer Geschwindigkeitsbegrenzungen plant. «Sicherheit für unsere Kinder steht nicht zur Disposition», erklärte Wegner gestern im Abgeordnetenhaus. Diese Ausnahme betrifft rund 600 Einrichtungen in der Hauptstadt.
Der schwarz-rote Senat hatte erst vergangene Woche angekündigt, zahlreiche Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen zurückzubauen. Die neue Linie sorgt für heftige Diskussionen. Während Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) die Maßnahme als «Entfesselung des Verkehrs» bezeichnet, sprechen Umweltverbände von einem «gefährlichen Rückschritt».
«Berlin braucht einen vernünftigen Mix aus Verkehrsberuhigung und Durchlässigkeit», meint Mobilitätsexperte Prof. Michael Lehmann von der TU Berlin. Er sieht in Wegners Kita-Kompromiss einen «typischen Berliner Spagat zwischen verschiedenen Interessen».
Als ich gestern durch Kreuzberg fuhr, wurde mir die Brisanz des Themas bewusst: An einer Kita standen Eltern mit selbstgemalten «Tempo 30 rettet Leben»-Schildern. Zwei Blocks weiter protestierten Autofahrer gegen «Schikanen im Berufsverkehr».
Der ADAC Berlin-Brandenburg begrüßt Wegners Kurskorrektur: «Kindersicherheit geht vor, aber auf Hauptverkehrsadern brauchen wir flüssigen Verkehr.» Die Verkehrswende-Initiative «Changing Cities» hingegen fordert: «Nicht nur Kinder brauchen Schutz – alle Berliner haben ein Recht auf sichere Straßen.»
Ob dieser Kompromiss die erhitzten Gemüter beruhigt, bleibt abzuwarten. In Hamburg hat ein ähnliches Modell funktioniert. Die Hauptstadtpolitik steht nun vor der Herausforderung, die Balance zwischen Verkehrsfluss und Sicherheit neu zu justieren. Mehr dazu auf der Webseite der Senatsverwaltung für Mobilität.
Eines scheint sicher: Die Berliner Verkehrspolitik bleibt ein Dauerbrenner – nicht nur an Kitas wird das Tempo der Veränderungen hitzig diskutiert.