Die Atmosphäre im Universitätsklinikum Essen ist heute gespannter als sonst. Ein schwarzer Dienstwagen fährt vor, Sicherheitsbeamte sichern den Eingang. Bundeskanzler Friedrich Merz besucht das renommierte Krebszentrum der Ruhrmetropole. Sein Besuch fällt in eine Zeit, in der die Gesundheitsversorgung bundesweit unter enormem Druck steht – laut aktuellen Zahlen des Deutschen Krankenhausinstituts schreiben 60 Prozent der Kliniken rote Zahlen.
„Wir brauchen dringend eine nachhaltige Krankenhausreform, die sowohl die Patientenversorgung verbessert als auch die wirtschaftliche Situation der Häuser stabilisiert», erklärt Merz beim Rundgang durch die onkologische Station. Begleitet wird er vom Klinikdirektor Prof. Dr. Jochen Werner, der die Erfolge der Digitalisierung am Standort präsentiert.
Die Wahl des Essener Uniklinikums für diesen Besuch kommt nicht von ungefähr. Das Haus gilt als Vorreiter bei der Krebstherapie und hat mit seinem digitalen Patientenportal bundesweit Maßstäbe gesetzt. Während der Kanzler mit Pflegekräften spricht, wird deutlich: Der Personalmangel belastet den Klinikalltag massiv.
Eine Pflegekraft, die seit 15 Jahren auf der Onkologie arbeitet, berichtet unverblümt: „Wir lieben unseren Beruf, aber die Bedingungen werden immer schwieriger. Viele Kolleginnen und Kollegen verlassen den Beruf, weil sie den Druck nicht mehr aushalten.»
In Hamburg habe ich ähnliche Szenen erlebt – Klinikbesuche von Spitzenpolitikern folgen oft dem gleichen Muster: Betroffenheit zeigen, Verständnis signalisieren, Verbesserungen versprechen. Doch die strukturellen Probleme bleiben.
Nach zwei Stunden verlässt Merz das Klinikum mit dem Versprechen, die Erkenntnisse in die aktuelle Gesundheitsreform einfließen zu lassen. Ob daraus konkrete Verbesserungen für den Klinikalltag entstehen? Die Skepsis bei vielen Beschäftigten ist spürbar. Der Erfolg wird sich daran messen lassen müssen, ob der Kanzler aus diesem Besuch mehr mitnimmt als nur Eindrücke für den Wahlkampf.