Die Anwohner in Stuttgart-Süd müssen sich auf eine mehrmonatige Geduldsprobe einstellen. Seit heute fahren auf der wichtigen U1-Strecke zwischen Marienplatz und Liederhalle keine Stadtbahnen mehr. Grund sind umfangreiche Gleisarbeiten im Bereich der Mörikestraße, die bis voraussichtlich September andauern werden. Täglich sind davon etwa 45.000 Fahrgäste betroffen, die nun auf Ersatzbusse oder alternative Routen umsteigen müssen.
Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) erneuert auf einer Länge von fast einem Kilometer die komplette Gleisanlage. «Wir investieren hier in die Zukunft des Nahverkehrs», erklärt SSB-Vorstand Thomas Moser. «Die bestehenden Gleise stammen noch aus den 1980er Jahren und haben ihre Lebensdauer erreicht.» Neben den Gleisen werden auch die Stromversorgung modernisiert und barrierefreie Zugänge an den Haltestellen geschaffen.
Ersatzbusse verkehren zwar im Zehn-Minuten-Takt, doch wie ich selbst heute Morgen beobachten konnte, bildeten sich bereits am ersten Tag lange Schlangen an den provisorischen Haltestellen. Eine Anwohnerin aus der Alexanderstraße seufzt: «Das wird ein harter Sommer. Ich brauche jetzt 25 Minuten länger zur Arbeit.»
Besonders betroffen sind auch die Geschäfte entlang der Strecke. Bäckermeister Klaus Weller von der Traditionsbäckerei am Marienplatz fürchtet Umsatzeinbußen: «Wenn weniger Leute vorbeikommen, spüren wir das sofort in der Kasse.» Die Stadt hat Unterstützungsmaßnahmen für betroffene Gewerbetreibende angekündigt, die Details sind jedoch noch unklar.
Der Zeitpunkt der Bauarbeiten während der Sommerferien wurde bewusst gewählt, um die Beeinträchtigungen zu minimieren. Dennoch fällt die Sperrung mit mehreren Großveranstaltungen zusammen, darunter das Stadtfest und verschiedene Open-Air-Konzerte im Süden.
Die Geduldsprobe könnte sich jedoch lohnen. Nach Abschluss der Arbeiten verspricht die SSB einen leiseren, zuverlässigeren Bahnverkehr und mehr Komfort für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste. Ob der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten – in Stuttgart ist man nach den Erfahrungen mit anderen Verkehrsprojekten vorsichtig optimistisch.