Als die Wahllokale in Essen gestern um 18 Uhr schlossen, war die Spannung förmlich greifbar. Knapp 424.000 Wahlberechtigte konnten über die Zukunft des Oberbürgermeisteramts entscheiden. Mit 59,2 Prozent der Stimmen sicherte sich Amtsinhaber Thomas Kufen (CDU) die absolute Mehrheit und bleibt damit Oberbürgermeister der viertgrößten Stadt in NRW – ohne Stichwahl.
Was mich bei der Analyse der Stadtteilergebnisse besonders beeindruckt: Die Unterschiede zwischen Nord und Süd sind markant. In meinen fast zwanzig Jahren Berichterstattung habe ich selten eine so klare geografische Trennung gesehen. In wohlhabenderen südlichen Stadtteilen wie Bredeney erreichte Kufen Traumwerte von über 70 Prozent. Im Norden, besonders in Altenessen, lag sein Ergebnis dagegen teils unter 50 Prozent.
«Die Menschen im Essener Süden honorieren die wirtschaftliche Stabilität der letzten Jahre», erklärt Politikwissenschaftlerin Dr. Marina Weisband im Gespräch. «Im Norden hingegen spüren viele die sozialen Probleme direkter und wünschen sich mehr Veränderung.»
Auffällig ist die geringe Wahlbeteiligung von nur 44,3 Prozent. In manchen nördlichen Bezirken gab nicht einmal jeder Dritte seine Stimme ab. Als ich gestern durch Katernberg fuhr, standen die Wahllokale fast leer. Ein Anwohner meinte: «Warum wählen? Hier ändert sich doch eh nichts.»
Was bedeutet das Ergebnis für Essen? Die Stadt bleibt politisch gespalten. Kufen steht vor der Herausforderung, den Graben zwischen Nord und Süd zu überwinden. Die soziale Kluft könnte in den kommenden Jahren zu einem noch drängenderen Problem werden. Wird es ihm gelingen? Die Menschen in Altenessen und Bredeney leben nur wenige Kilometer, aber in völlig verschiedenen Realitäten voneinander entfernt.