Als ich gestern am Hannibal-Komplex in Dorstfeld vorbeikam, herrschte bedrückende Stille. Der einst belebte Wohnkomplex steht seit fünf Jahren größtenteils leer. Für die verbliebenen Bewohner gibt es jetzt eine wichtige Nachricht: Die drohende Zwangsräumung verzögert sich erneut.
Das Dortmunder Verwaltungsgericht hat den für den 2. Juli angesetzten Verhandlungstermin verschoben. Ein neues Datum steht noch nicht fest. Die rund 100 verbliebenen Mieter können vorerst in ihren Wohnungen bleiben, während der juristische Streit zwischen ihnen und der Stadt Dortmund weitergeht.
«Es ist eine Atempause, aber keine Lösung», erklärt Rechtsanwalt Dennis Gratz, der mehrere Hannibal-Bewohner vertritt. «Viele meiner Mandanten leben seit Jahrzehnten dort und haben keine Alternative.»
Der 1972 errichtete Wohnkomplex wurde im September 2019 wegen gravierender Brandschutzmängel teilweise geräumt. Etwa 750 Menschen verloren damals ihre Wohnungen. In einem der vier Gebäudeteile durften Bewohner bleiben – unter strengen Auflagen wie einer Brandwache.
Die Stadt Dortmund beharrt auf einer vollständigen Räumung. «Die Sicherheitsmängel sind dokumentiert und nicht behoben», betont Stadtsprecherin Anke Widow. Die Eigentümerin, eine Fondsgesellschaft, hat bislang keine umfassenden Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.
In meinen zwanzig Jahren als Journalistin habe ich selten einen Fall erlebt, bei dem die Fronten so verhärtet sind. Die Mieter fühlen sich im Stich gelassen, während die Behörden auf Sicherheitsrisiken verweisen.
Während der Gerichtstermin verschoben ist, steht für die Betroffenen viel auf dem Spiel. In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte bedeutet der Verlust der Wohnung oft mehr als nur einen Umzug – es geht um Heimat und Existenz.
Bleibt die Frage: Wie lange kann dieser Schwebezustand andauern? Und wer trägt letztlich die Verantwortung für einen Wohnkomplex, der zum Symbol für gescheiterte Wohnungspolitik geworden ist?